Witten. Sie sind erstmals zusammen in den Urlaub geflogen. Ein Paar aus Witten erzählt, wie es dem Chaos auf Mallorca nach der Thomas-Cook-Pleite entkam.
Ihre erste gemeinsame Flugreise geriet zur Nervenprobe. Dennis Brüggestrat und Julia Telgenkämper sind gerade aus Mallorca zurückgekehrt. Sie hatten eine Neckermann-Reise nach Cala Millor über das DER-Reisebüro an der Bahnhofstraße gebucht. Nur mit viel Glück, schneller Entschlusskraft und dank eines Mietwagens kamen sie glimpflich aus dem Chaos auf der Urlaubsinsel Montagnacht zurück. Neckermann-Reisen ist eine deutsche Tochter des insolventen Reiseveranstalters Thomas Cook.
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Die Thomas-Cook-Pleite und all ihre Konsequenzen haben die beiden Wittener und 70 Prozent der anderen Hotelgäste voll erwischt. In Cala Millor hatten sie zwar von der Pleite des britischen Konzerns gelesen, aber gedacht, dass nur britische Urlauber betroffen seien. Am Montagmorgen, beim Frühstück, hatte das Paar allerdings schon eine Unruhe im Hotel Hipocampo Playa gespürt. Was war los? Als sie aufs Zimmer zurückkehren wollten, war auf einmal die Zugangskarte gesperrt. Sie kehrten zur Rezeption zurück, wo bereits großer Andrang herrschte. Aufs Zimmer kommen sie nicht mehr, hieß es. Entweder zahlt man für die restlichen Urlaubstage in bar oder man checkt aus und reist ab.
Dennis Brüggestrat und Julia Telgenkämper konnten das gar nicht fassen. Die Thomas-Cook-Hotline und die Homepage sind gesperrt, die Reiseleiterin vor Ort ist überfordert. Auch sie hätte nur die Informationen aus den Medien. Selbst die Reiseunterlagen, die die Urlauber aus Witten als Link in einer E-Mail erhalten haben, sind nicht mehr aufrufbar.
Erst nach dem Auschecken durften sie noch einmal zurück aufs Zimmer
Glücklicherweise gelingt ihnen ein Telefonkontakt ins DER-Reisebüro nach Witten, bevor dort eine Lawine an Anrufen auf die Mitarbeiterinnen hereinbricht. „Das war unser Glück. Wir waren die ersten gestrandeten Urlauber aus Witten, die sich gemeldet hatten. Die Mitarbeiterin hat sich super gekümmert und uns sogar ihre private Handynummer gegeben, wir wären ja gar nicht mehr durchgekommen“, sagen Dennis Brüggestrat und Julia Telgenkämper. Die Angestellte rät: Reisen Sie ab. Das Geld für eine Verlängerung des Urlaubs und den ursprünglich über Neckermann gebuchten Flug mit Eurowings am Mittwoch würde man wahrscheinlich nie wiedersehen.
Das Paar checkt aus. Erst dann darf es – in Begleitung eines Hotelmitarbeiters – wieder aufs Zimmer und packen. „Prickelnd war das nicht.“ Im und vor dem Hotel herrscht derweil „das totale Chaos“: „Manche wurden laut und haben gesagt, sie treten die Zimmertür ein“, erzählt Julia Telgenkämper. Die Straßen sind gesäumt mit Urlaubern. Denn auch einen Transfer zum Flughafen in Palma de Mallorca gibt es nicht. „Die wenigen Busse, die fuhren, waren maßlos überfüllt. Da waren viele Familien mit kleinen Kindern, die einfach nicht weggekommen sind.“
Flughafen in Palma ist heillos überfüllt
Gut, dass die beiden noch ihren Mietwagen hatten. Damit fahren sie zum Flughafen und geben ihn dort ab. Am Schalter beruhigt sie eine Condor-Mitarbeiterin: „Wir bringen sie so schnell wie möglich nach Hause.“ Gebucht werden beide auf die letzte Maschine, die Palma am Montagabend verlassen hat. Als sie bereits im Sicherheitsbereich des Flughafens sind, können sie nochmal in die Ankunftshalle gucken. Das Terminal ist heillos überfüllt. „Viele haben einfach auf dem Boden geschlafen.“
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2000 Euro haben die 26-Jährige und ihr 31-jähriger Freund für die achttägige Reise bezahlt. Ob sie einen Teil davon erstattet bekommen und ob sie den Condor-Rückflug noch bezahlen müssen, wissen sie nicht. Nur, dass sie drei Urlaubstage verloren haben. Trotz allem hat es andere Urlauber weit schlimmer erwischt, wissen die beiden. „Im Flieger saßen zwei junge Männer neben uns, die waren morgens hingeflogen, durften nicht in ihr Hotel, weil nichts bezahlt war, und waren gezwungen, abends wieder zurückzufliegen.“ Julia Telgenkämper, die zum ersten Mal in ihrem Leben eine Flugreise unternommen hat: „Wir machen nur noch an der deutschen Nordsee Urlaub. Da kommt man wenigstens zurück.“