Witten. Obwohl es nachmittags leerer wurde, sprechen Veranstalter und Gäste von einer gelungenen Premiere. Erstmals feierten sie Wittens bunte Vielfalt.
Hüpfburg, Karussell, lecker Essen, gute Musik und dazu strahlender Sonnenschein – am Samstag (14.9.) fehlte nicht viel zum perfekten ersten „Bunte Vielfalt“-Fest auf dem Rathausplatz. Die Besucher wurden mit den Flaggen von Brasilien, Spanien, Frankreich, England oder Ecuador begrüßt. In Witten können alle Nationen und Kulturen friedlich zusammenleben, so das klare Motto des Festes.
Am Stand von Nana Shanava (59) etwa fühlt man sich gleich gut aufgehoben. Mit ihrem 2007 gegründeten Verein „Kolchis“ – der Name einer ehemalig antiken Region Georgiens – bietet der Kulturverein typische Leckereien aus dem Land am Schwarzen Meer an. Shanava wurde in Georgien geboren und lebt seit 23 Jahren in Witten. Den Rote-Bete-Salat nach Geheimrezept gibt es nicht ohne den Hinweis auf die Spezialität schlechthin, Chatschapurri. Das Gericht ist für den Laien eine Art Pizza mit viel Käse im und um den Teig. Shanava lachend: „Pizza – das ist eine Beleidigung dafür.“
Wittener Soroptimisten sammeln„1000 Stimmen gegen Gewalt“
Gut 30 Initiativen und Vereine aus Witten stellen sich auf dem Rathausplatz vor. Von Kolping über Caritas, Help-Kiosk, „Kontrakt“ bis zu den Gehörlosen des BVB-Fanclubs Daeft – die Palette ist sprichwörtlich bunt. Integration, ob von Behinderten oder Flüchtlingen, spielt eine große Rolle. Die Soroptimisten verkaufen Kuchen und sammeln „1000 Stimmen gegen Gewalt“, das „Alte Fritz“ serviert Falafel und die zehnte Klasse der Pestalozziförderschule Empanadas, argentinische Teigtaschen.
„Wir haben den ganzen Kuchen verkauft“, sagt Paulina, die mit Claudia Formann von der städtischen Stabsstelle für Integration und Städtepartnerschaften an den Ständen von „Kontrakt“ steht, dem Unternehmen für Bildung, das die Chancengleichheit von Jugendlichen steigern will. Hinten, zur Rathaushaltestelle hin, dreht sich das Kinderkarussell und natürlich gibt es auch eine Bratwurst auf die Hand. Die Flohmarkthändler sind ebenfalls ganz zufrieden.
Die Wittener Tanzgruppe Abrakadabra durfte natürlich nicht fehlen
Es gibt auch ein allerdings immer wieder von längeren Pausen unterbrochenes Bühnenprogramm mit Live-Musik. Der Auftritt von „Abrakadabra“ ist wie immer ein Höhepunkt. Mehr als zehn Nationen sind dort in fünf Tanzgruppen aktiv. Julia Kast als eine von vier Leiterinnen ist richtig stolz auf ihre multikulturelle Gruppe. „Jedes Kind bringt etwas Eigenes von zu Hause mit. Wir verbringen ja nicht nur Freizeit zusammen. Sondern wir lernen auch voneinander, zum Beispiel über die Bräuche der anderen Nationen.“ Disziplin, aber vor allem viel Freude an der Gemeinschaft – damit haben sich die Künstler bis über die Grenzen Wittens hinweg einen Namen gemacht.
Die vielen Möglichkeiten, sich über den Tellerrand hinaus über den Nächsten zu informieren, kommen gut an, auch wenn es gegen Nachmittag deutlich leerer auf dem Rathausplatz wird. Großen Spaß hat Besucher Ssalman Rostami beim simulierten Blindenfußballspiel. Stille ist dabei das A und O. Denn den Ball hören die Spieler mit verbundenen Augen nur über die darin verbaute Rassel. „Ich habe sogar zwei Tore gemacht“, freut sich der 24-Jährige, der als Flüchtling vor vier Jahren nach Witten kam und sich nach eigenen Worten in der Stadt wunderbar eingelebt hat.
Wittener Bürgermeisterin lobt Idee, „Vielfalt“ mitten im Zentrum zu leben
Stadt stellt 31 Millionen Euro für alle Kitas bereit
2018 haben 3241 Kinder die Wittener Kitas besucht. In diesem Jahr wird mit 3342 gerechnet. Anfang September waren noch 78 Kinder mit dringlichem Bedarf unversorgt. Sie stehen auf einer Prioritätenliste. Als nächstes könnte die zweigruppige Kita in der ehemaligen Eisdiele San Remo in Annen bezugsfertig sein.
Die knapp 60 Wittener Kindertageseinrichtungen erhalten im Kindergartenjahr 2019/20 über 31 Millionen Euro von der Stadt. Darin enthalten sind Landeszuschüsse in Höhe von 13 bis 14 Millionen Euro. Weitere 3,4 Millionen Euro landen direkt als Zuweisungen in den Kitas.
Nur acht der 57 Einrichtungen sind städtisch, Träger der übrigen Einrichtungen sind Awo (9 Kitas), Diakonie (2), Elterninitiativen (14), Frühe Lebenshilfen in Witten (FliWi, 4) und die Kirchen (13 Ev., 7 Kath.).
Das dürfte auch Bürgermeisterin Sonja Leidemann gefreut haben, die als Vorsitzende des neben dem Stadtmarketing organisatorisch federführenden Wittener Partnerschaftsvereins zugleich Hauptorganisatorin von „Bunte Vielfalt“ war. Die Idee, „mitten im Zentrum“ Vielfalt zu leben, sei genau die richtige gewesen, sagt Leidemann. „Demokratie fängt vor Ort an.“
Für ein wenig Unruhe bei den Organisatoren, aber auch Zuspruch bei Passanten sorgt die Aktion der Bürgerinitiative „Der Kornmarkt muss grün werden!“ Grünen-Ratsfrau Lieselotte Dannert, Mitorganisatorin des „Bunte Vielfalt“-Festes im Partnerschaftsverein, betont den überparteilichen Charakter, der das Fest so stark mache. Für die trotzdem insgesamt sehr friedliche Stimmung sind die vielen Vereine und Organisationen verantwortlich. Flüchtling Ssalman Rostami jedenfalls, der schon in Bochum und Dortmund gewohnt hat, ist sich sicher: „Witten ist die beste Stadt. Es ist ruhig, man hat alles und es sind einfach sehr gute, nette Leute hier.“ Bunte Stadt Witten, wer sagt’s denn.