Witten. Der erste Geschichten-Treff im Quartier Crengeldanz war ein Erfolg. Viele Wittener brachten lustige und teils kuriose Geschichten von früher mit.

43 Jahre lang hat Karl-Georg Kogelheide im Glaswerk der Deutschen Tafelglas AG (Detag) im Quartier Crengeldanz/Heven-Ost gearbeitet. Sechs Tage die Woche. Oft auch sonntags und an Feiertagen. „Ein echter Knochenjob war das“, sagt der 75-Jährige, der noch immer gut in Schuss ist und sich heute gewerkschaftlich engagiert. „Wir mussten mit dem Presslufthammer das Glas auseinanderbrechen. Um 6 Uhr haben wir immer angefangen.“

Noch mindestens 15 Jahre lang möchte Karl-Georg Kogelheide fit bleiben – dann ist er 90. Und der rüstige Rentner ist nicht der einzige, der seine Geschichte im Crengeldanz-Treff der Awo erzählt hat. Das Buch aus dem Stadtarchiv über die Gebrüder Müllensiefen, denen die Glasfabrik ehemals gehörte, liegt schon auf dem Tisch. Kogelheide blättert nostalgisch in den schon leicht zerfledderten Seiten.

Crengeldanz-Treff begann erst zögerlich

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Ehefrau Brigitte Kogelheide und Christel Papirowski (beide 68) leiten den schon seit Mai dieses Jahres wöchentlich stattfindenden Treff, der sich nicht nur an Senioren richtet, sondern an alle, die einfach mal jemanden zum Reden brauchen. Gemeinsam mit Quartiersmanager Rolf Kappel haben sie draußen auf der lauten Crengeldanzstraße schon Zettel aufgehängt und Tische hingestellt, denn: „Viele trauen sich nicht über die Schwelle“, so Kogelheide. Deshalb sei der Treff am Anfang etwas zögerlich angelaufen. Heute, zur erstmaligen Geschichten-Aktion, ist aber gut etwas los. Quartiersmanager Kappel freute sich am Ende des Tages über rund 25 Besucher, die gekommen waren.

Viele Geschichten wurden im Stadtteiltreff Crengeldanz erzählt: (v.l.) Christel Papirowski (68), Martina Kliner-Fruck, Brigitte Kogelheide (68), Hans-Werner Tata (67), Rolf Kappel, Karl-Georg Kogelheide, Hartmut Niche und Rothraud Hann.
Viele Geschichten wurden im Stadtteiltreff Crengeldanz erzählt: (v.l.) Christel Papirowski (68), Martina Kliner-Fruck, Brigitte Kogelheide (68), Hans-Werner Tata (67), Rolf Kappel, Karl-Georg Kogelheide, Hartmut Niche und Rothraud Hann. © Barbara Zabka / FUNKE Foto Services

Viele bringen Fotos, alte Zeitungsartikel oder einfach ihre schönsten Erinnerungen aus der Kindheit mit. Hans-Werner Tata (67) ist am Crengeldanz geboren und erinnert sich an eine Begegnung mit dem Bestattungsunternehmer König. „Als er die Straße entlanglief und zwei ältere Damen gerufen haben: ‘Ach, da ist doch unser König’, da war ich gleich ganz aufgeregt und dachte, der regiert uns hier am Crengeldanz. Aber dann ist er nur in sein schnödes Bestattungshaus gegangen.“ Drei, vier Jahre alt sei er gewesen, erzählt Tata.

Bedeutende Frauenrechtlerin kam aus dem Quartier

Dr. Martina Kliner-Fruck, die das Stadtarchiv leitet, ist ebenfalls vor Ort und kann sich über zu wenig Arbeit nicht beklagen. „Gerade die jungen Leute interessiert die Geschichte ihrer Häuser. Wir haben viel zu tun momentan.“ Die Fundstücke und Dokumente, die die Menschen aus dem Quartier mitbringen, sollen künftig auch im Stadtarchiv aufgenommen werden, falls nicht schon vorhanden. Gerade hat Kliner-Fruck Dokumente über die Frauenrechtlerin Martha Dönhoff herausgekramt. Die gebürtige Wittenerin war eine waschechte Crengeldanzerin und eine der ersten Frauen im Preußischen Landtag vor hundert Jahren. Sie habe die Frauenbewegung nach Witten gebracht.

Viel Neues und Altes also für die Besucher, die den Treff gut füllten. Wer wollte, konnte es sich auch einfach bei Waffeln und Kaffee gemütlich machen oder alte Freunde aus dem Quartier treffen. Es scheint, als hätte der Crengeldanz-Treff mit der Aktion einen Nerv getroffen. Die beiden Leiterinnen Christel Paprowski und Brigitte Kogelheide wollen auf jeden Fall weitermachen – dem Alter zum Trotz. „Man muss doch was tun“, sagt Kogelheide eindringlich. „Ausruhen können wir uns, wenn wir alt sind.“