Witten. Einen tollen Start hat die 596. Wittener Zwiebelkirmes hingelegt. Bei Superwetter ließen es sich Hunderte nicht nehmen, dem Festumzug zuzusehen.
Wann kommt er nur endlich? Es ist kurz nach 16 Uhr. Immer wieder recken vor allem die Kinder an der unteren Bahnhofstraße ihre Hälse und schauen Richtung Herbeder Straße. „Ich seh’ ihn“, verbreitet ein Vater Hoffnung, der sich mit Sohn auf der Schulter für bessere Sicht mitten auf die Straße gestellt und dabei einen ersten Wagen erspäht hat. Und dann geht er wirklich los, der Umzug der Zwiebelkirmes.
Hunderte Menschen säumen die Bahnhof- und die Ruhrstraße, als die ersten Wagen gemächlich losrollen, die ersten Süßigkeiten fliegen. Viele Besucher suchen sich die Schattenseite der Bahnhofstraße aus. Bei strahlendem Sonnenschein und 27 Grad sitzt Bürgermeisterin Leidemann gut gelaunt neben Landrat Olaf Schade, daneben die noch zwei Tage amtierende Zwiebelkönigin Marie Derstadt. „Bonbon-Weitwurf ist ja mittlerweile mein Hobby“, scherzt Schade. Und Königin Marie genießt die letzten Stunden als Majestät. „Das ist das perfekte Wetter zum Abdanken“, sagt die 31-jährige. Den Titel loszulassen fällt ihr nur etwas schwer. „Ich arbeite jetzt als Ärztin in einer Klinik, da wird es zeitlich eng.“ Gespannt ist sie auf die Frauen, die am Sonntag um ihre Nachfolge wetteifern werden.
TG Witten mit großem Lkw-Anhänger
Zum ersten Mal dabei ist die TG Witten. Mit ihrem großen Lkw zieht sie von Beginn an alle Blicke auf sich. Denn obwohl der Wagen als letzter im Zug fährt, steht er schon vor allen anderen Umzugsteilnehmern an der unteren Bahnhofstraße. „Wir haben nicht unter der Brücke durchgepasst“, erklärt Dietmar Riese, Leiter der Turnabteilung des Sportvereins. Im Inneren des Anhängers zeigt die TG Witten wie man sich fit hält: Triathleten strampeln auf ihren Fahrrädern, angefeuert vom ein oder anderen Besucher am Straßenrand.
Zwiebeln wie Schmuckperlen auf Bändern aufgereiht, Zwiebeln als Halsketten, an Hüten, an Gürteln: Die namensgebende Knolle ist nicht zu übersehen – und wird von einigen Umzugsteilnehmern auch verteilt. Zum Beispiel von Helmut Weber, der zur Fußtruppe des Stadtmarketings gehört. Zwiebeln statt Kamelle, kommt das an? „Aber klar“, sagt Weber. „Gerade die Erwachsenen freuen sich immer drüber.“
„Königin Mutter“ grüßt das Volk
Mit Zwiebeln geschmückte Traktoren, die mitten durch die Innenstadt rollen. Bei diesem Anblick muss auch der Mitarbeiter des syrischen Supermarktes das Handy zücken und ein Video machen. Stumm ist zumindest stellenweise der Shanty Chor, der aber fröhlich zur Drehorgel-Musik der vorausgehenden Gruppe tänzelt.
Dahinter schreitet die „Königin Mutter“ und grüßt das Volk. Helga Flick war 2005 bis 2006 Zwiebelkönigin. „Dann wollten sie eine neue wählen, da war ich etwas beleidigt“, scherzt die 73-Jährige. Seitdem sei sie wie Queen Mum, die ewige Königin sozusagen. Zu allen Besuchern ist das aber noch nicht ganz durchgedrungen. „Wer ist das Mama?“ fragt ein kleines Mädchen. „Das ist die Zwiebelfrau“, antwortet die Mutter.
Süßigkeiten mit dem Regenschirm fangen
Richtig gut vorbereitet sind Damian und Gabriel. Mit einem auf dem Kopf stehenden, aufgespannten Regenschirm, sammeln die beiden Brüder eifrig die herumfliegenden Süßigkeiten ein. „Einmal war er schon ganz voll, das haben wir schon weggebracht“, sagt der 11-jährige Damian. Der Umzug ist für ihn eine „coole Eröffnung“ der Kirmes.
Marc Rose ist zum ersten Mal dabei. Der Dortmunder sitzt auf einem historischen Lanz Eil-Bulldog, der jedesmal rhythmisch knallt, wenn er anfährt und mehr als einmal für offene Münder sorgt. „Ich hätte nicht gedacht, dass hier so eine Volksfeststimmung ist. Die Zwiebelkirmes muss etwas ganz besonderes sein“, staunt der 41-Jährige. Ein Urgestein ist dagegen die als Hunnin kostümierte Susi Bergstein. Die 55-Jährige von den Ruhrtalwölfen ist seit dem ersten Umzug dabei, hat auch in diesem Jahr wieder mitgeholfen, die Wagen zu dekorieren. Und sie bringt auf den Punkt, was für sie den Umzug ausmacht: „Schauen Sie sich das doch an“, sagt Bergstein. „Nur strahlende Gesichter. Dafür machen wir das.“
Busse stauten sich an der Ruhrstraße
Die einzigen, die den Umzug nicht genossen haben, waren wohl einige Busfahrer und deren Insassen. Die Absperrungen auf der Ruhrstraße hinderten sie daran, in die Johannisstraße abzubiegen, über die sie eigentlich ausweichen wollten. Über zehn Busse stauten sich dort gegen Ende des Umzugs.
Höhepunkte der Kirmes
Die Kirmes ist Samstag von 14 bis 23 Uhr, Sonntag von 12 bis 22 Uhr und Montag von 14 bis 21 Uhr geöffnet. Am Sonntag ist zudem Verkaufsoffener Sonntag von 13 bis 18 Uhr.
Am Samstag, 31. August, gehen – anders als fälschlicherweise angekündigt – um 18 Uhr die stärksten und schnellsten Läufer Wittens mit Zwiebelsäcken beladen an der Ruhrstraße an den Start. Am Montag können sich Kinder beim Sackträgerlauf messen. Start- und Zielpunkt ist ab 15 Uhr der Voß’sche Garten
Am Sonntag um 15 Uhr wird an der Bühne vor der Popakademie in der Ruhrstraße die neue Zwiebelkönigin gekürt.
Nur einige hundert Meter weiter eröffnete Bürgermeisterin Sonja Leidemann dann kurz nach 17 Uhr traditionell mit dem Fassbieranstich die Kirmes. Und mit Blick auf das Thermometer und die weitere Wettervorhersage scherzte Moderator Karsten Zierdt: „Der Wettergott ist Wittener“. Bleibt zu hoffen, das er richtig liegt.