Witten. Die Geschichte der Wittener Zwiebelkirmes reicht zurück bis ins 15. Jahrhundert. Ein neues Buch erzählt von den „Wittener Kirmessen“ und mehr.
Vom ehemaligen NRW-Ministerpräsidenten Johannes Rau ist eine Anekdote aus dem Landtag überliefert. Dort wurde Rau angeblich darauf angesprochen, dass er nach Zwiebeln rieche. Der spätere Bundespräsident soll geantwortet haben: „Dann wissen Sie jetzt, wo ich gestern war. Bei meinen Freunden auf der Wittener Zwiebelkirmes.“ Eine von vielen herrlichen Geschichten, die im neuen Buch „De Wittensche groute Kirmes“ nachzulesen ist. Auf 63 reich bebilderten Seiten erfährt man dort etwas über die fast 600-jährige Geschichte der Wittener Zwiebelkirmes.
Am Freitag startet das viertägige Volksfest zum 596. Mal in der Innenstadt mit einem großen Festumzug. Letzterer war einst eine Idee von Gudrun Dönhoff-Aufermann. Zwischen 2001 und 2015 war die heute 70-Jährige als Stadtmarketing-Mitarbeiterin auch für die Organisation der Zwiebelkirmes zuständig. So ein Umzug fehle, fanden sie und ihre Kollegin Ursula Heinrichs-Gertlowski. 2004 gab es den ersten Festumzug. „Da waren 40 Teilnehmer und acht bis neun Wagen mit dabei.“
2009 wurde die „Wittener Gesellschaft für Volksfeste Hermann Bonner“ gegründet. Ein Verein mit rund 130 Mitgliedern – Schausteller und Bürger, die das Kirmesbrauchtum in der Stadt erhalten wollen. Anlässlich des zehnjährigen Vereinsjubiläums sei die Idee geboren worden, „ein Buch über die Wittener Kirmesse zu schreiben“, sagt Gudrun Dönhoff-Auferman. Mit der Kollegin Heinrichs-Gertlowski ging sie die Sache an. Beide besuchten für ihr Buch-Projekt über Monate immer wieder das Stadtarchiv.
Auch Altbürgermeister Klaus Lohmann unterstützte die Frauen mit Fotos und vielen schönen Kirmesgeschichten – wie zum Beispiel der von Johannes Rau, mit dem Lohmann befreundet war. Ab Montag ist das reich bebilderte Buch beim Tourist- und Ticket-Service des Stadtmarketings am Rathausplatz für zehn Euro zu kaufen.
Beim Fest wurde getanzt und gevöllt
Früher hieß die Zwiebelkirmes einmal Ägidienkirmes. Sie begann stets am Tag des Heiligen Ägidius, dem 1. September. Die Autorinnen: „An diesem Tag wurde ein wundertätiges Marienbild in feierlichem Umzug durch die Stadt getragen.“ Die Kirmes entwickelte sich zum größten Ereignis der Region, „bei dem getanzt, gezecht und gevöllt wurde“.
Verein ist Herausgeber des Buches
Herausgeber des 64-seitigen Buches „De Wittensche groute Kirmes“ ist die Wittener Gesellschaft für Volksfeste Hermann Bonner. Die dort gezeigten Fotos stammen von den Fotografen Jörg Fruck und Werner Liesenhoff.
Das historische Bild- und Textmaterial stellte die Leiterin des Wittener Stadtarchivs, Dr. Martina Kliner-Fruck, bereit. Unterstützt wurde das Buch von den Wittener Stadtwerken, der Sparkasse und der Schaustellervereinigung Witten.
Im Buch findet man auch ein Zitat aus einer Zeitung von 1835, in der zu lesen war, dass man über die „ungeheure Menschenansammlung“ auf der Kirmes geradezu staunen könne. Es sei ein Schieben, Drängen und ein ohrenbetäubender Lärm in den engen Gassen. 1871 brachten Sonderzüge Besucher zur Wittener Zwiebelkirmes.
Auch Schausteller-Originale werden dem Leser vorgestellt. Dazu zählt Hermann Bonner, der von 1964 bis 2005 Erster Vorsitzender der Schaustellervereinigung Witten war und ein bundesweit bekannter Karussellbetreiber. Bonner, der sein Leben auf dem Rummel verbrachte, starb 2008. Natürlich darf auch ein Beitrag über Hilde Teichgräber nicht fehlen. Mit 62 Jahren übernahm sie als Geschäftsführerin der Schaustellervereinigung Witten die Organisation der Zwiebel- und der Himmelfahrtskirmes.
Die Schaustellerin, die immer einen Stand auf der Zwiebelkirmes und dem Weihnachtsmarkt hatte, starb 2016 mit 89 Jahren. 1950 hatte sich „Tante Hilde“ mit einem Schokoladen-Verkauf selbstständig gemacht. Sie heiratete einen Konditor, der mit in ihr Geschäft einstieg. Auch die Geschichte des Zwiebelmännchens, das als Logo für die Kirmes wirbt, wird aufgeklärt. Es war der erste Preis eines studentischen Wettbewerbs 1986 an der Fachhochschule Dortmund für Design.