Witten. . Nicht immer muss bei Gallensteinen gleich ein Chirurg ran, erklärten die Ärzte beim WAZ-Medizinforum im Evangelischen Krankenhaus in Witten.

Gallensteine sind nicht nur lästig, sie können den Betroffenen das Leben zur Hölle machen – und „Schmerzen von 0 auf 100 verursachen, so stark wie bei einer Geburt in der Austreibungsphase“. Dr. Evelyn Luhrenberg schilderte das Problem gleich zu Beginn des WAZ-Medizinforums äußerst anschaulich. 40 Leser, die teils selbst ihre leidvollen Erfahrungen gemacht haben, waren ins Evangelische Krankenhaus gekommen.

Internistin Dr. Evelyn Luhrenberg
Internistin Dr. Evelyn Luhrenberg © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Dabei sind die Störenfriede überhaupt kein neues Problem. „Schon Ötzi hatte welche“, erklärte die Internistin bei der von Redaktionsleiter Jürgen Augstein-Peschel moderierten Veranstaltung. An zu viel Currywurst mit Pommes dürfte es bei ihm nicht gelegen haben. Dennoch ließ die Expertin keinen Zweifel: Fettreiche Ernährung und Übergewicht begünstigen die Entstehung von Gallensteinen, ebenso wie das Geschlecht übrigens. Frauen sind etwa doppelt so häufig davon betroffen wie Männer. Aber auch Menschen ganz ohne Risikofaktoren kommen nicht immer ungeschoren davon, wenn die Gene nicht mitspielen. „Es gibt regelrechte Gallenstein-Familien“, sagte Luhrenberg.

Beileibe nicht jeder, der einen Stein hat, hat auch Schmerzen

Immerhin: Beileibe nicht jeder, der einen Stein hat, hat auch Schmerzen. Etwa 10 bis 15 Prozent der Bevölkerung hat zwar Gallensteine. Aber nur bei einem Viertel führen sie im Laufe des Lebens zu Beschwerden. Manchmal helfen Schmerzmittel, Krampflöser und warme Wickel. Wenn es schlimmer wird, dann sind die Ärzte gefragt – aber es müssen nicht gleich die Chirurgen sein.

Gholam Abass Dehzad, Oberarzt der Klinik für innere Medizin
Gholam Abass Dehzad, Oberarzt der Klinik für innere Medizin © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Komme ein Patient mit den typischen Schmerzen im Oberbauch ins EvK, werde stets von Internisten und Chirurgen gemeinsam beraten, wie vorzugehen sei, sagte Internist Gholam Abass-Dehzad beim Medizinforum. Erstes Mittel der Diagnostik sei immer der Ultraschall, durch den sowohl Steine als auch eine Entzündung der Gallenblase gut sichtbar zu machen seien.

„Die Diagnose haben wir in fünf bis zehn Minuten“, so der Mediziner. Schwieriger sei es, wenn ein kleiner Stein im Gallengang feststecke. Dann werde ein ERCP nötig, also der Blick nach innen mit dem endoskopischen Ultraschall. Vorteil dieser Methode: Wird ein Stein gefunden, kann er gleich mit einem Körbchen oder Ballon an der Spitze des Endoskops entfernt werden – was Fotos und Videos eindrucksvoll belegten.

Heute werde so ein Eingriff in der Regel minimal-invasiv durchgeführt

Wenn aber nicht nur der Stein, sondern auch die Gallenblase raus muss, dann sind die Chirurgen dran. Heute werde so ein Eingriff in der Regel minimal-invasiv durch drei kleine Schnitte durchgeführt, erklärte Matthias Blase, Chefarzt der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie. Eine offene Bauch-OP sei nur selten nötig, etwa bei ganz schweren Entzündungen, Verwachsungen oder anatomischen Besonderheiten.

Matthias Blase, Chefarzt der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgi
Matthias Blase, Chefarzt der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgi © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Auch durch die kleinen Löcher von etwa fünf Millimetern – eins davon am Nabel – sei eine Gallenblase gut und problemlos zu entfernen, so Blase. Die Methode, narbenlos nur durch den stark geweiteten Nabel zu operieren, habe sich dagegen nicht durchgesetzt. Dabei sei es häufiger zu Komplikationen gekommen – und auch die OP sei dabei komplizierter.

Die Operation selbst sei keine große Sache, versicherte der Chef-Chirurg. Drei Tage dauere der stationäre Aufenthalt in der Regel. Blase: „Nach einer Woche körperlicher Schonung hat der Patient meist keinerlei Einschränkungen mehr.“ Doch auch wenn es heutzutage viele schonende Wege gibt, die lästigen Störenfriede loszuwerden – besser ist, man hat keine. Oder wie Dr. Luhrenberg sagte: „Ich wünsche Ihnen, dass Ihre Steine von Swarovski sind und nicht von McDonald’s.“

>>>DAS WAREN DIE FRAGEN DER BESUCHER

Ich hatte einmal eine Kolik. Muss ich mir den Stein jetzt entfernen lassen?

Ja möglichst, sonst kann es immer wieder zu Beschwerden kommen.

Ich habe einen Stein, der bislang keine Beschwerden macht. Nun planen wir eine Fernreise. Sollte er vorher besser raus?

Solange Sie vom All-Inclusive-Büfett den Nachtisch nicht alleine aufessen, sollte der Stein in der Regel auch weiter keine Probleme machen. Bei häufigen Reisen in Ländern mit schlechter medizinischer Versorgung könnte man aber über eine Entfernung nachdenken.

Ich bin irritiert. Mein Arzt hat mir gesagt, meine Steine hätten nichts mit der Ernährung zu tun.

Doch, das haben sie fast immer. Selbst wenn man aus einer „Gallensteinfamilie“ kommt, ist eine gesunde Ernährung von Vorteil.

Die Besucher stellten viele Fragen, die Redaktionsleiter Jürgen Augstein-Peschel an die Ärzte weitergab.
Die Besucher stellten viele Fragen, die Redaktionsleiter Jürgen Augstein-Peschel an die Ärzte weitergab. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Stichwort gesunde Ernährung: Darf ich auch keinen Zucker, Honig oder Süßstoff essen?

Doch, aber die Menge macht’s.

Meine Gallenblase wurde vor einigen Jahren entfernt. Jetzt habe ich aber wieder Beschwerden. Kann ich wieder Steine haben?

Ja, das ist leider auch ohne Gallenblase möglich. Die Steine können sich in den Gallengang setzen, der ja noch besteht.

Ich hatte eine Kolik und eine Gallenblasenentzündung, aber es wurde kein Stein gefunden. Ist das möglich?

Ja, es gibt auch Gallenblasenentzündungen ohne Stein. Aber mehr als 80 Prozent entstehen durch Steine.

Muss ich Blutverdünner vor dem Eingriff absetzen?

Ja, auf alle Fälle.

Mir wurde ein Titannetz im Bauch eingesetzt. Ist trotzdem eine minimalinvasive OP möglich?

Ja, das geht auch durch das Netz.

Kann es durch die Entfernung der Gallenblase zu Problemen mit der Verdauung kommen?

Selten. Entfernt wird ja nur das Speicherorgan, nicht die Flüssigkeit. Sie fließt danach kontinuierlich in den Darm. Höchstens nach sehr opulenten Mahlzeiten kann es dann durch zu wenig Gallenflüssigkeit zu Problemen kommen.

Muss ich vor der OP auf jeden Fall eine Magenspiegelung machen lassen?

Das ist heute nicht mehr zwingend nötig, wenn die Diagnose Gallenstein eindeutig ist. Andererseits finden wir bei einer Spiegelung in einigen Fällen immer wieder auch Magengeschwüre, die dann erst medikamentös behandelt werden.

Es gibt weiche Cholesterinsteine und harte, spitze Pigmentsteine. Ich habe leider Pigmentsteine. Warum?

Nur ein Fünftel aller Steine sind Pigmentsteine. Die Ursachen dafür, welcher Stein entsteht, sind ungeklärt.