Mit 150 „Fridays for Future“-Demonstranten haben CDU, SPD, Grüne, FDP, Linke und Piraten über Europa diskutiert. Eine durchaus heikle Debatte.

Das millionenfach geklickte CDU-„Zerstörungsvideo“ von Youtuber Rezo wurde sicher auch in einigen Wittener Jugendzimmern verschlungen. Nur während sich ihr Generationensprecher Rezo im Monolog vor der Kamera über die Union ausließ, hatten die Schüler am Freitag mal die Gelegenheit, ihre Unzufriedenheit vor einem echten CDU-Mann zu entladen. Für Wittens Unionschef Ulrich Oberste-Padtberg war die Europawahl-Debatte, zu der die „Fridays for Future“-Ortsgruppe auch SPD, Grüne, FDP, Linke und Piraten eingeladen hatte, also alles andere als ein gemütlicher Freitagstermin.

Warum seine Partei den Kohleausstieg nicht früher einleiten, warum sie Unternehmen nicht mehr Vorschriften machen und die Schere zwischen Arm und Reich nicht schließen könne, wurde Oberste-Padtberg von den rund 150 Klimaschwänzern auf dem Rathausplatz gefragt. „Euch wird eine Scheißwelt hinterlassen“, machte der CDU-Chef mit Blick auf die Spätfolgen des Bergbaus mehr als deutlich, gab aber zugleich zu: „Wir haben neben dem Kohleausstieg auch noch den Atomausstieg, müssen also 70 Prozent der Energieträger ersetzten.“ Dies ginge nun mal nicht so schnell.

Ein Heimspiel für die Grünen

Zufrieden gaben sich die Schüler und Studenten mit solchen Antworten nicht. Wie ein Heimspiel dürfte ihren Auftritt dagegen Mona Neubaur erlebt haben. Die nordrhein-westfälische Grünen-Chefin ließ keine Gelegenheit aus, den Jungen wieder und wieder mitzuteilen, wie wichtig ihr Protest sei. „Es ist richtig, dass ihr nie damit aufhört, laut zu sein!“ Die Schüler hatte sie aber nicht nur dank ständiger Sympathiebekundungen auf ihrer Seite. Die Jungen lobten auch Neubaurs Forderungen nach einem Verbot vom Kükenschreddern oder einem Ausbau des Interrail-Verkehrs mit entsprechendem Applaus.

Nach der Diskussion auf dem Rathausplatz zogen die Schüler und Studenten mit Plakaten und Transparenten durch die City.
Nach der Diskussion auf dem Rathausplatz zogen die Schüler und Studenten mit Plakaten und Transparenten durch die City. © Barbara Zabka / FUNKE Foto Services

Den hatte auch Amid Rabieh vom Landesvorstand der NRW-Linken stellenweise sicher, indem er seine Rolle als Schrecken der Großkonzerne voll ausfüllte. Piraten-Ratsherr Stefan Borggraefe gab mit Forderungen nach europaweiten Regelungen fürs autonome Fahren erwartbar den digitalen Denker. Und der Europaabgeordnete Dietmar Köster (SPD) aus Wetter? Sein Bekenntnis zu Frieden, Seenotrettung oder Steuerpflicht für digitale Großkonzerne schien sich ohne Frage gut ins Weltbild der Schulstreikenden zu fügen – der große Jubel blieb aber aus. „Das glaubt der doch selbst nicht“, murrte es zwischen den Reihen.

Und dann war hier noch die FDP, repräsentiert vom Europa-Kandidaten Klaus Muck, Listenplatz 91. Der 65-Jährige wollte vor allem mit seiner Lebenserfahrung punkten, erzählte von seinem Treffen mit dem Dalai Lama oder Bill Gates. Schließlich ließ sich aber auch Mucks Kernforderung auf die liberale Formel bringen: „Mehr Investition in Forschung, Innovation und Mittelstand.“

Konkrete Lösungen

Auf die Bitte, eine konkrete Lösung zur Bewältigung der Klimakrise auf europäischer Ebene zu nennen, zeigten sich weitere große Unterschiede zwischen den Parteien. „Es ist ganz wichtig, ein Investitionsprogramm für Gebäudesanierung auf den Weg zu bringen“, sagte SPD-Mann Köster. Ulrich Oberste-Padtberg von der CDU wiederum plädierte für „ein leistungsfähiges Schienennetz“, Mona Neubaur von den Grünen für eine Steuer auf Plastik. „Keine öffentlichen Aufträge für Konzerne, die umweltschädlich produzieren“, forderte Amid Rabieh von den Linken. Pirat Stefan Borggraefe schlug einen kostenlosen öffentlichen Nahverkehr vor. Zuletzt machte sich Klaus Muck von der FDP für „mehr Investitionen in eine gute Ausbildung“ stark.

Nach zwei Stunden hatten viele Schüler immer noch nicht genug von der Diskussion. 100 marschierten mit Schildern weiter zum Hauptbahnhof, die restlichen 50 tauschten sich weiter am Rathausplatz mit den politischen Gästen aus.