Witten. . Sie treffen sich bei „Fräulein Mayer“ und machen sich Mut, wenn jemand einen Durchhänger hat. In Witten gibt es eine Gruppe für jüngere Blinde.

Wenn René anfängt zu plaudern, geraten Zuhörer schnell ins Staunen. Der 23-Jährige hat viel zu erzählen. Neben der Vorbereitung auf die deutsche Meisterschaft im Schach koordiniert er gerade für die Grüne Jugend eine Studienreise nach Brüssel und lernt fleißig für sein juristisches Staatsexamen.

Viel Zeit, um Löcher in die Luft zu starren, bleibt da nicht. Erst recht nicht, wenn man – wie René – blind ist. Doch das vermeintlich schwere Schicksal, das sich hinter seiner Sonnenbrille verbirgt, ist dem jungen Mann im Gespräch nicht anzumerken. Seine lebensbejahende Einstellung teilt er mit den weiteren zwölf Mitgliedern der U-60-Gruppe (unter 60 Jahre) des Wittener Blinden und Sehbehindertenvereins.

Hoher Altersdurchschnitt im Blindenverein

Sabrina Führer und Birgit Prünte haben die Gruppe im November ins Leben gerufen. Seitdem trifft sich die bunt gemischte Runde regelmäßig im Café „Fräulein Mayer“. „Ausschlaggebend war der hohe Altersdurchschnitt im Verein. Der schreckte uns ab“, sagt Führer, die von Geburt an blind ist. „Als berufstätige Menschen, die einen Großteil des Lebens noch vor sich haben, fühlten wir uns mit unseren Themen und Interessen unterrepräsentiert“, erklärt sie, warum eine neue Gruppe aus der Taufe gehoben wurde. Wie die meisten U-60er steht sie mitten im Leben.

Die gelernte Bürokauffrau arbeitet seit 16 Jahren in der Poststelle der Universität Witten/Herdecke. Neben ihrem Beruf engagiert sie sich als ehrenamtliche Blindenberaterin. Einmal wöchentlich stürmt sie zudem abends für einen Blindenfußballverein in Essen. „Die Gruppe soll den Zusammenhalt unter jüngeren Blinden stärken, ihnen Mut machen und Lebensfreude vermitteln“, beschreibt Mitbegründerin Birgit Prünte die gemeinsame Mission. „Nicht jeder Erblindete geht aktiv und fordernd mit der neuen Einschränkung um.“

Gegenseitige Motivation in der Gruppe wichtig

Mit dem Augenlicht würden oft auch die anderen Lebensgeister erlöschen. Um die Herausforderungen des Blindseins anzunehmen und den offensiven Umgang mit der Behinderung zu lernen, sei die gegenseitige Motivation innerhalb der Gruppe daher extrem wichtig. Immer wieder spornten sich die mittlerweile gut befreundeten Gruppenangehörigen zu gemeinsamen Unternehmungen an.

„Unser Motto ist: Attacke, rein ins Leben“, sagt Birgit Prünte, die zwei Kinder hat. Sabrina Führer fügt hinzu: „Wenn jemand den Kopf hängen lässt, treten wir uns auch mal gegenseitig in den Hintern.“ Diese Ankündigung aus dem Mund der durchtrainierten Blindenkickerin zeigt Wirkung. Musikerin Beate Telgheder, seit kurzem mit an Bord, spielt mittlerweile mit ihr in Essen Blindenfußball.

>>> Wittener U-60-Gruppe trifft sich alle sechs Wochen

Die U-60-Gruppe des Wittener Blinden- und Sehbehindertenvereins trifft sich alle sechs Wochen nach Absprache. Treffpunkt ist das Café Fräulein Mayer, Oststraße 7. Interessierte können sich an Sabrina Führer wenden. Mail: s.führer@blickpunkt-auge.de oder 0177 26 34 154

Die persönliche Blindenberatung von „Blickpunkt Auge“ findet jeden zweiten und vierten Donnerstag von 15.15 bis 16.15 Uhr und nach Vereinbarung in der Universität Witten/Herdecke, Stockumer Straße 10, statt. Um eine telefonische Anmeldung unter 02302/8 83 04 oder 0177 263 41 54 wird gebeten.

Der feste Stammtisch des Wittener Blinden- und Sehbehindertenvereins trifft sich an jedem 4. Mittwoch im Monat im Café Möpschen, Ruhrstr. 33.