Witten. . Als fast einziger Wittener Händler verkauft das Backhaus mit „Too Good to Go“ übrig gebliebene Ware. Nur ein Baustein für mehr Nachhaltigkeit.

Übrig gebliebenes Essen nicht wegschmeißen, sondern kurz vor Ladenschluss billiger verkaufen: Das ist Kerngedanke der App „Too Good to Go“ („Zu schade zum Wegwerfen“). Während in vielen Städten immer mehr Läden und Lokale in der App zu finden sind, ist das Backhaus – neben dem Reformhaus an der Ruhrstraße – der einzige dort vertretene Wittener Lebensmittelhändler. „Und das schon, bevor die App 2017 bei der TV-Show ‘Die Höhle der Löwen’ vorgestellt wurde“, sagt Julian Graßhoff. Dabei sei es gerade für Bäckereien schwierig, Reste über die App zu verkaufen, wie der Geschäftsführer sagt.

Denn während etwa beim China-Imbiss klar sei, dass ein „Too Good to Go“-Kunde für eine warme Mahlzeit mit Reis oder Nudeln vorbeikomme, sei die Produktpalette bei Bäckern „einfach zu divers“. Soll heißen: Wenn nur Puddingteilchen übrig bleiben, kommen Reste-Käufer, die Vollkornbrot für ihr Abendbrot suchen, nicht auf ihre Kosten. Für Graßhoff ist es eine ständige Frage, Lebensmittel-Rettung und Kundenbedürfnisse gegeneinander aufzuwiegen.

Die Marke soll grüner werden

Dass sich das Backhaus trotzdem an der App beteiligt, liegt daran, dass das Wittener Familienunternehmen eine immer grünere Unternehmensphilosophie entwickeln möchte. „Wir sind dabei, unsere Marke zu verändern, aber das muss man Schritt für Schritt angehen“, sagt Iris Graßhoff, ebenfalls Geschäftsführerin und Mutter von Julian. Die App „Too Good to Go“ ist für das Mutter-Sohn-Team dabei nur ein kleiner Baustein.

Da ist zum Beispiel der Kaffee, den Familie Graßhoff von einer Bauerninitiative in Nicaragua einkauft und per Mehrwegsystem in ehemaligen Quark-Eimern anliefern lässt. Für Julian Graßhoff ist das eine bessere Wahl als Fairtrade-Kaffee vom Großhändler. „Wir wollen Abstand nehmen von Zertifikaten und Labels. Hinter Faitrade-Siegeln verbirgt sich oft auch große Sauerei“, sagt der 29-Jährige, der sich schon mehrere Plantagen angesehen hat, in denen zertifizierter Kaffee angebaut wird – und von den dort herrschenden Arbeitsbedingungen negativ überrascht wurde.

Zwölf Prozent der Ware geht zurück

Um die Warenrücknahme (aktuell bei zirka 12 Prozent) zu reduzieren, steuert das Backhaus die Bestellung zudem digital per Algorithmus über die Zentrale an der Dortmunder Straße. „Dabei werden Wetter und lokale Gegebenheiten berücksichtigt“, erklärt Krista Körner, Assistentin der Geschäftsführung, und nennt zwei Beispiele: Werden über 25 Grad prognostiziert, werde automatisch weniger Kuchen bestellt. Spielt der BVB, stelle sich die Backhaus-Filiale am Bahnhof Unna auf großen Brötchen-Hunger ein.

Weitere Reste versucht das 170 Mitarbeiter starke Unternehmen durch kostenlose „Probier-Scheiben“ zu reduzieren, die den Kunden beim Einkauf mitgegeben werden. Außerdem kommt 30 Prozent der Retoure in die Produkte zurück“, sagt Julian Graßhoff. Vermahlene Reste kommen so in neue Produkte, wodurch laut Graßhoff sogar der Geschmack verbessert wird. „Vieles geht aber auch über aktiven Verkauf“, ergänzt die Mutter – indem also zu viel bestellte Erdbeerschnitten auffälliger an der Verkaufstheke positioniert und beworben werden.

„Ansonsten versuchen wir auch viel an der Energieversorgung zu optimieren“, sagt Julian Graßhoff – und übt gleichzeitig Selbstkritik. „Aber natürlich haben wir auch die Fackel vor unserem Haus, mit der wir ohne Ende Gas verbrennen.“ Wie war das? Schritt für Schritt.