Witten. . Der Rheinische Esel wird um ein Streetart-Kunstwerk reicher. Bevor sie beginnen konnten, mussten die Künstler aber erst eine Seniorin überzeugen.
Was hat eine Pusteblume mit einem Graffiti gemeinsam? Für Sigi Müller eine Menge. „Jeder findet Pusteblumen im Grunde schön“, sagt der 36-jährige Wittener. „Trotzdem ist sie Unkraut und letztlich will sie doch keiner haben.“ So sei es oft auch mit Graffiti. An einer Garagenrückwand auf dem Rheinischen Esel zwischen Sonnenschein und Zaunkönigweg bringt Sigi Müller deshalb das zusammen, was zusammengehört: Eine alte Wand wird zu blumiger Straßenkunst.
Jeden Tag ist der hauptberufliche Schlosser auf dem Weg zur Arbeit an der tristen Wand vorbeigeradelt. „Ich habe mir immer gedacht: Damit muss man mal was machen“, erinnert er sich. „Also habe ich über mehrere Ecken den Kontakt zur Eigentümerin hergestellt und bei ihr angeklingelt.“ Die Besitzerin der Garage: Eine 80-jährige Frau – und trotz ihres Alters aufgeschlossen gegenüber moderner Kunst von der Straße.
Ein Werk über Vergänglichkeit
Sigi präsentierte der alten Dame verschiedene Entwürfe und achtete darauf, ihr nicht zu viel zuzumuten. Nicht zu „funky“, nicht zu düster, keine Totenköpfe oder zu viel Schrift – eigentlich Markenzeichen von Sigi Müllers Künstlerkollektiv Werkstattgeflüster. Nun sollen ein schaukelndes Mädchen und eine ältere Frau, die gegen eine Pusteblume bläst, zu sehen sein. Darüber das Wort „Vergänglichkeit“ – noch eine Gemeinsamkeit zwischen Pusteblumen und Graffiti. So wie die Samen vom jungen Löwenzahn, verschwinde auch ein Graffito schnell, „egal, ob die Farben durch UV-Strahlung ausbleichen oder jemand etwas darüber schmiert“, weiß Müller.
Seit zehn Uhr am Freitagmorgen ist der Vater in Elternzeit mit den Vorarbeiten beschäftigt. Die Fläche reinigen, Tiefengrund auftragen, Risse zuspachteln. „Wenn wir sowas machen, dann auch richtig“, sagt er über sich und seine Mitstreiter von Werkstattgeflüster. Zwei Kumpels kommen später dazu, Müller muss nicht auf seinen Feierabend warten. „Die Kinder sind bei meiner Frau, ich habe jetzt mal verlängertes Daddy-Wochenende“, freut er sich.
Zweites Motiv geplant
Spielzeug wird er seinen Zwillingen von dieser Arbeit nicht kaufen können. Gemeinsam mit zwei Freunden möchte Müller den Entwurf bis Sonntag an die Wand bringen – und verlangt dafür keinen Cent. Da das Werk aber eine „Verschönerung der Umgebung für die Allgemeinheit“ ist, versucht das Trio, aus Spenden zumindest ein Stück zu refinanzieren.
Bisher sind 55 Euro zusammengekommen. Nicht die Menge, aber für Sigi Müller heißt es: „Haben oder nicht haben“. Für über 100 Euro hat er Sprühfarben eingekauft, weitere Flaschen kommen aus dem eigenen Fundus. „Für uns ist so eine bemalte Fläche gute Werbung“, erklärt er die Bereitschaft zur Investition. Ein Unbekannter ist er in der Streetart-Welt allerdings längst nicht mehr: Schon vor anderthalb Jahren erhielt Sigi Müller die Genehmigung für das Kunstwerk am Rheinischen Esel, aber es kamen immer wieder andere Aufträge dazwischen. „Wir sind etwa nach Russland geflogen und haben für einen Kulturaustausch Werke ausgestellt“, erzählt er.
Ob es ebenso lange dauert, den zweiten Teil des Kunstwerks in Angriff zu nehmen? Sigi Müller möchte noch die Giebelwand der Garage verschönern. Das Motiv? Ein Zaunkönig – passend zum parallel verlaufenden Zaunkönigweg.
>>> Wie man für das Kunstwerk spenden kann
Infos und Werke von Sigis Kollektiv Werkstattgeflüster gibt es unter: facebook.com/
DedicationWithColor/. Sigi zeigt seine Kunst auf Instagram:
instagram.com/parleone_dwc
Spenden für ihr Werk am Rheinischen Esel sammeln die Künstler über das Crowdfunding-Portal Leetchi. Beteiligen kann man sich mit einem beliebigen Betrag unter: www.leetchi.com/c/projekt-wandgestaltung-rheinischer-esel