Witten. . Die Stadt Witten ging 2018 für fast 800 säumige Väter in Vorleistung. Sie zahlte 2,2 Millionen Euro aus. Vor der Reform waren es 875.000 Euro.

Die Auswirkungen des neuen Unterhaltsvorschussgesetzes sind einschneidend: Die Zahl der Anspruchsberechtigten hat sich in Witten innerhalb von zwei Jahren verdoppelt – von 391 auf 788 „Zahlfälle“. Die ausgezahlten Vorschussleistungen stiegen auf das Zweieinhalbfache – von 875.000 auf knapp 2.2 Millionen Euro.

Trennen sich Eltern und zahlt der verpflichtete Ex-Partner – meist der Vater – nicht, springt „Vater Staat“ ein. Sprich: der Steuerzahler und die Steuerzahlerin. Der Bund hat den Anspruchauf die Zwölf- bis 17-Jährigen erweitert und die Höchstbezugsdauer aufgehoben: Früher zahlte der Staat höchstens sechs Jahre lang. Da das Gesetz Mitte 2017 in Kraft trat, ist mit den Zahlen, die die Stadt Witten jetzt für 2018 vorgelegt hat, zum ersten mal auch ein kompletter Jahresvergleich vor und nach der Reform (2016/2018) möglich.

Zahl der Bezugsberechtigten hat sich verdoppelt

Die Zahl der Anspruchsberechtigten hat sich verdoppelt, weil in Witten erstmals 232 Zwölf- bis 17-Jährige Leistungen bekommen. Auch bei den Sechs- bis Elfjährigen kommen 173 neue Fälle hinzu – weil die Höchstbezugsdauer weggefallen ist.

ONLINE VERSION Entwicklung Unterhaltsvorschuss in Witten
ONLINE VERSION Entwicklung Unterhaltsvorschuss in Witten © Miriam Fischer

Der Anstieg der Vorschussleistungen auf über zwei Millionen Euro ist enorm. Die Rückzahlungen von Unterhaltspflichtigen stiegen zwar von 133.000 auf 171.000 Euro, der Rücklauf entspricht damit momentan aber nur noch acht Prozent der Leistungen. 2016 lag er noch bei 15 Prozent.

Bund und Land haben ihre Anteile am Vorschuss aufgestockt

Für den Wittener Haushalt ist aber von Belang, dass Bund und Land ihre Anteile aufgestockt und die Kommunen 30 statt früher 53 Prozent der Kosten tragen. Dafür bekommen sie auch von den Rückzahlungen nur 30 Prozent. Zusätzlich hat das Land NRW per Ausführungsgesetz von Ende 2018 verfügt, dass die Kommunen nicht schlechter gestellt werden sollen, als sie es Ende 2016 waren.

Witten zahlt also die Vorschüsse zwar aus, bleibt aber am Ende nicht auf den ganzen Kosten sitzen. Zieht man die Anteile ab, die Bund (40 Prozent) und Land (30 Prozent) übernehmen, sieht die Rechnung so aus: Der Zuschussbedarf aus dem Wittener Haushalt ist von rund 400.000 auf knapp 550.000 Euro gestiegen – das sind 38 Prozent mehr. Die Rückzahlungen sind dabei schon berücksichtigt.

Überlastet: Acht Planstellen fehlen

Damit steht Witten aber doch tatsächlich schlechter da als vor zwei Jahren? Aus Sicht der Stadtverwaltung sicherlich. Die Landesregierung will sich Ende März den ersten Bericht über die Auswirkungen der Reform vorlegen lassen.

Vorschuss & Erstattung

Laut Bilanz der Unterhaltsvorschussstelle waren Ende 2018 316 Leistungsanträge sowie 1117 Erstattungsfälle noch unbearbeitet liegen geblieben.

Das Land ist auch nicht zuständig für die Rückforderung, wenn die Vaterschaft nicht feststeht. Das Jugendamt schätzt, dass es auch bei der Rückforderung für etwa 20 Neufälle monatlich zuständig bleiben wird.

Große Sorgen bereitet dem Jugendamt aber auch die mehr als angespannte Personallage. Auch in der Unterhaltsvorschussstelle haben Mitarbeiter Überlastungsanzeigen gestellt. Von den aktuell sieben Planstellen seien nur vier immer besetzt. Lege man von 140 Fällen pro Mitarbeiter zugrunde, müssten es eigentlich acht Planstellen mehr sein, so Jugendamtsleiterin Corinna Lenhardt.

Personal wurde nicht entsprechend aufgestockt

Trotz der Gesetzesänderung hat die Stadt das Personal in der Unterhaltsvorschussstelle seit Mitte 2017 nicht aufgestockt. Dies geschah in Aussicht darauf, dass für das Eintreiben des Unterhaltsvorschusses ab Mitte 2019 das Land zuständig wird. Aus Sicht der Vorschussstelle ist das eine Milchmädchenrechnung.

Das Land übernimmt nicht die etwa 2460 Altfälle, wird nur zuständig für Kinder für die vor Juli 2019 noch kein Cent geflossen ist. Da der „Rückgriff“ aber erst nach dem Ende der Vorschussleistungen beginnt, kann es Jahre dauern, bis die neue Landesstelle die Stadt beim Eintreiben der Vorschussleistungen spürbar entlastet.