Witten. . Gudrun Braukmanns Schildkröten-Hilfe stand kurz vor dem Aus. Nun hat sie eine neue Parzelle in Heven gefunden – und einen Verein gegründet.

Die Winterschläfer stecken noch unter der Erde. Auf unter zehn Grad haben sie ihre Körpertemperatur heruntergefahren – und bekommen nichts von dem Chaos mit, in dem ihre Hüterin gerade steckt: Bis ihre rund 50 Schildkröten gegen März wieder auftauen, will Gudrun Braukmann eine 1000 Quadratmeter verwahrloste Grünfläche in Heven in ein Panzertier-Paradies verwandeln.

Den Stress nimmt die 54-Jährige gerne auf sich. Denn weil der Besitzer ihrer alten Parzelle sein Land in Stockum an die Druckerei Ellerhold verkauft hat, stand ihre Schildkröten-Hilfe kurz vor dem Aus. „Es sah wirklich schlecht aus“, sagt sie. „Aber dann hat der liebe Gott plötzlich dieses Stück Land vom Himmel fallen lassen.“

„Es wird alles wunderschön“

Nicht ganz. Es war ein Eigentümer in der Hevener Mark, der nun die vermooste Fläche gegenüber von seinem Haus an Braukmann und ihre Tiere übergeben hat. Anfang Januar hatte Braukmann ihm einen „netten Brief“ in ihrer „schönsten Schrift“ geschrieben. Dass eine Woche später die erfreuliche Antwort kommen sollte, hatte die Wittenerin selbst „nicht mehr zu träumen gewagt“. Schließlich war sie seit Sommer auf der Suche nach einem geeigneten Gelände – seit sie die unschöne Botschaft vom Eigentümer der alten Bebbelsdorfer Fläche erhalten hatte.

Schritt eins wird nun sein, ein zweites Gewächshaus in die Parzelle zu holen und das bestehende mit Wärmelicht auszustatten. „Dann können die Tiere entspannt aus der Starre kommen“, sagt Braukmann. Und das ganze Wildkraut? Der demolierte Gartenschuppen? „Ob hier überall aufgeräumt ist, interessiert die Tiere nicht.“ Ganz so paradiesisch wird es bis März also noch nicht ganz. „Es wird alles wunderschön, aber halt erst irgendwann.“

Ein Backstübchen im Garten?

Natürlich soll ein Teich entstehen. Aber welcher Kröten-Luxus darüber hinaus möglich sein wird, muss Braukmann erst selbst noch in Erfahrung bringen. „Ich muss den Garten hier erst einmal kennenlernen und gucken, was hier das Jahr über passiert.“

Klar ist: die Tiere sollen es so gut haben wie möglich. „Bei richtiger Haltung werden sie über 100 Jahre alt“, weiß Braukmann. „Deswegen lerne ich gerade meine Enkelkinder an.“ Und die eigenen Kinder? „An denen ist es irgendwie vorbeigegangen, aber meine Enkel habe ich fest im Griff.“

Auch ihren Mann Ralf (57) hat Gudrun Braukmann nicht unbedingt mit ihrer Schildkröten-Liebe angesteckt – mit dabei ist er trotzdem immer. „Mein Hobby ist meine Frau“, sagt er. „Und bei all dem, was sie tut, müsste man schon in schwerer Verweigerungshaltung sein, um nichts zu finden, was einen interessiert.“ Mit dem Gelände hat auch er einiges vor: „Hier gibt es einen Apfel- und Pflaumenbaum. Mit den Früchten werde ich wunderbaren Kuchen machen können“, sagt der leidenschaftliche Bäcker. Einen Wasseranschluss soll es auch geben. „Dann könnte man hier sogar ein kleines Backstübchen errichten.“

Verein will vor allem über Haltung informieren

Bis Ende 2018 musste Gudrun Braukmann ihre alte Parzelle in Stockum verlassen. Die Tiere sind derzeit im Gewächshaus eines Vereinsfreundes untergebracht. Dass sie ihre Bekannten einmal „Vereinsfreunde“ nennen würde, hatte Braukmann allerdings lange nicht für möglich gehalten. „Ich bin eigentlich kein Vereinsmeier“, sagt sie. Trotzdem hat sie – 34 Jahre nach dem Kauf ihrer ersten Kröte – nun einen gegründet.

Der Schildkröten-Hilfe e.V. zählt bis jetzt 16 Mitglieder. „Das gibt uns mehr Möglichkeiten, uns nach außen darzustellen“, sagt Braukmann. Außerdem darf sie als Vereinsvorsitzende nun endlich Spenden entgegennehmen: Die Versorgung ihrer Tiere hatte sie bis jetzt aus eigener Tasche bezahlt „Oft war die Frage: Gehe ich noch mal einkaufen oder lieber mit dem letzten Geld zum Tierarzt?“, erinnert sich die 54-Jährige, die bei einem Naturfachkostgeschäft in Dortmund-Eichlinghofen beschäftigt ist.

Schwerpunkt des Vereins sollen Beratung bei der Haltung von Schildkröten und Führungen, etwa für Schulklassen oder Kindergärten sein. „Erst an letzter Stelle steht die Aufnahme von Tieren“, sagt Braukmann. „Wir wollen in erster Linie keine Auffang-Station sein. Sonst könnte ich die Kröten hier bald stapeln.“