In ihrem Garten im Bebbelsdorf kümmert sich Gudrun Braukmann um 50 gerettete Schildkröten. Doch jetzt will der Besitzer das Land verkaufen.

Schildkröterich Hänschen ist heute auf Krawall gebürstet. Wieder und wieder rempelt er mit seinem Panzer den Artgenossen Thore an. „Das ist normal. Bei den Männchen ist immer Theater“, sagt Gudrun Braukmann und schaut lachend übers Gehege. 50 gerettete Schildkröten leben in ihrem blühenden Garten. Doch das Paradies ist in Gefahr.

Vor vier Wochen bekam die Wittenerin Post. Der Eigentümer will das Land im Bebbelsdorf, auf dem Braukmanns Schildkröten leben, abgeben. Es soll in Bauland umgeschrieben und an die nahe gelegene Druckerei Ellerhold verkauft werden. Bis zum Jahresende sollen Braukmann und ihre Parzellen-Nachbarn das Gelände räumen. „Seitdem der Brief kam, ist es hier totenstill“, so Braukmann. „Wir sind alle fix und fertig.“

Die 54-Jährige zog vor anderthalb Jahren mit ihren Tieren in die Bebbelsdorfer Parzelle. Jeden morgen vor der Arbeit kommt sie in den abgelegenen Garten und versorgt die Schildkröten. Die recken schon die Köpfe, wenn Braukmann mit einer großen Ikea-Tüte voll Grünschnitt kommt. „Hören können sie mich nicht. Aber Schildkröten haben einen ausgeprägten seismographischen Sinn und erkennen mich an meinem Schritt.“

Zappelnde Plastiktüte hängt an der Gartentür

Mit viel Zeit und Liebe hat die Wittenerin den Boden bearbeitet, Gehege für Männchen und Weibchen angelegt und Glaskästen aufgestellt. Sogar einen Schildkröten-Kindergarten und eine Quarantäne-Station für Neuankömmlinge gibt es. Bei der privaten Schildkrötenhilfe landen ausgesetzte und abgegebene Pflegefälle. Manchmal hängt morgens eine zappelnde Plastiktüte an ihrer Gartentür. Oft sind die abgegebenen Tiere in sehr schlechtem Zustand. Zu wenig Sonne und falsches Futter machen die Panzer „weich wie Brötchen“. Manche Patienten muss Braukmann einschläfern. Doch die meisten päppelt sie mit viel Fürsorge wieder auf.

„Eine Schildkröte ist kein Kaktus“, so die Retterin. Viele Besitzer hätten immer noch ein typisches 70er-Jahre Bild im Kopf. „Sie stellen sich ein kleines Aquarium im Kinderzimmer vor, in das man ab und zu mal ein Salatblatt reinwirft.“

Verein soll gegründet werden

Braukmanns Blick schweift über das Weibchen-Gehege. Sie sucht Trulla – die Maurische Landschildkröte, mit der vor 13 Jahren alles begann. Doch Trulla ist heute schüchtern. Dafür reckt Ernesto, eine nordamerikanische Dosenschildkröte neugierig seinen Kopf in die Luft.

Urlaub oder freie Zeit hat Gudrun Braukmann kaum. Fehlt ihr das? Braukmann schüttelt den Kopf. „Wenn ich im Garten bin, geht’s mir einfach gut.“ Ein bisschen trotzig fügt sie hinzu: „Und ich werde dafür kämpfen, dass wir hier bleiben dürfen.“

Einen kleinen Hoffnungsschimmer gibt es. Ein Nachbar hat neulich ein seltenes Mauswiesel im Garten entdeckt. Braukmann will das dem Naturschutzbund melden. Vielleicht könnte das geschützte Tier die Baupläne durchkreuzen. Und Braukmann will endlich einen Verein gründen. Bisher durfte sie keine Spenden annehmen und hat alle Arzt- und Futterkosten aus eigener Tasche bezahlt. Auf den Papierkram, den eine Vereinsgründung mit sich bringt, hatte die 54-Jährige eigentlich keine Lust. Für ihre Schildkröten will sie aber Himmel und Erde in Bewegung setzen. „Ein Umzug bedeutet Stress für alle Tiere. Das will ich nicht.“

>> Vor 34 Jahren begann die große Schildkröten-Liebe

Im Jahr 1984 kaufte sich Gudrun Braukmann im Zoogeschäft ihre ersten beiden Schildkröten. Seitdem hat sie eine Menge über Haltung und Pflege gelernt.

Bei Führungen durchs Schildkrötengehege gibt sie ihr Wissen an Schulklassen und Kindergärten weiter. Auch ihre Internetseite trullaundfreunde.npage.de dreht sich um die Panzertiere.