Witten. . Nicht zu überhören war am Freitagmorgen der Protest von über 400 Schülern in der Wittener Innenstadt. Schule schwänzen für den Klimaschutz.
„Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Zukunft klaut.“ Laut waren sie tatsächlich. Und viele: Über 400 Schüler haben am Freitagmorgen in der Innenstadt für Klimaschutz und einen schnelleren Kohleausstieg demonstriert, 200 mehr, als die Veranstalter erwartet hatten. Die Proteste waren Teil der internationalen „Fridays for Future“-Bewegung. Dabei schwänzen Schüler für ihr Anliegen den Unterricht.
Klar, dass das kollektive Blaumachen auch den einen oder anderen zum Rumalbern anstiftet. Schneebälle wurden geworfen, Bierchen geleert und auf der Rückseite von Plakaten für die eigene Instagram-Seite geworben. Dass es dem Löwenanteil der Demonstranten aber sehr ernst ist, wurde spätestens beim ersten Wortbeitrag klar: „Ich bin hier, weil ich es satt habe und weil ich wütend bin“, wendete sich Laura Schmidt (18) vom Organisationsteam an die Politik. „Es kann nicht sein, dass sie die Wirtschaft über unsere Zukunft stellen.“
„Auch Kinder können etwas bewegen“
Mit ihrer Eröffnungsansprache motivierte die Organisatorin rund ein Dutzend weitere Teilnehmer zum Gang vor das Megafon – und die waren nicht weniger geladen. „Ich finde es toll, dass wir alle realisiert haben, dass wir die letzte Generation sind, die etwas gegen den Klimawandel tun kann“, sagte die 16-jährige Lale Bayazit. Richtung Rathaus rief sie. „Die in diesem Gebäude müssen das auch endlich realisieren.“
Selbst Schüler aus der sechsten Klasse trauten sich nach vorne. „Wir sind Kinder, aber können auch etwas bewegen“, sagten Mila und Kiara (11), gefolgt von tosendem Jubel. „Gemeinsam können wir die Welt retten.“ Ironischerweise blickte fast im selben Moment eine Reinigungskraft mit Mundschutz aus dem Rathausfenster. Als würde sie vor der Pflichtausstattung der Zukunft warnen.
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Neben Kindern und Jugendlichen beteiligten sich auch wenige Erwachsene: Mitglieder von Grünen, Piraten und MLPD waren vor Ort. Verena Schäffer, Abgeordnete für die Grünen im Landtag, wurde für einen Redebeitrag eingeladen – war aber schlechter zu hören als jeder Schüler. Die wussten, dass man das Megafon „knutschen“ musste, um durch die Menge zu dringen.
„Wer nicht springt, der ist für Kohle“
Mit Transparenten und Plakaten – manche kurzerhand gebastelt aus den Rückseiten eines Schreibblocks – zogen die Teilnehmer aller weiterführender Schulen vom Rathausplatz über Bahnhofstraße zum Berliner Platz. Von dort ging es Richtung Humboldtplatz und dann über die Poststraße zum Hauptbahnhof.
Die Plakat-Slogans waren mal fordernd, mal schwarzhumoristisch – von „Kein Bock auf hitzefrei“ über „Das Klima ist aussichtsloser als mein Abi“ bis „Jetzt handeln für die Zukunft der Erde“. Und natürlich ging es viel um Kohle, aktuell der größte Dorn im Auge der Bewegung. „Wer nicht springt, der ist für Kohle!“, wurde gerufen. Wer die Füße auf dem Boden hielt, hatte höchstens nicht schnell genug geschaltet.
Verhalten umgehend ändern
„Gewissen gereinigt, das reicht erst mal wieder für ein paar Monate“, sagt ein Schüler nach der Schlusskundgebung vor dem Hauptbahnhof. Gelächter unter seinen Kollegen, Unsinn für viele andere. „Ich bin jetzt richtig motiviert!“, macht der 18-jährige Leon beim Vertilgen einer Portion Fritten vom weltweiten Fast-Food-Marktführer klar. „Ich glaube, das hat was gebracht. Ich bin beim nächsten Mal auf jeden Fall wieder mit dabei.“ Und verzichten auf Großkonzern-Pommes? „Das wäre hart.“
Eine Gruppe von Mädchen aus der siebten Klasse will dagegen umgehend etwas an ihrem Verhalten ändern. “Das Licht ausmachen, wenn wir aus dem Raum gehen“, sagt die eine. „Lieber mit Bus fahren. Oder mit dem Fahrrad“, sagt die andere. „Und mit den Eltern sprechen.“ Denn die seien viel zu oft mit dem Auto unterwegs.
Die Schüler wollen nun voraussichtlich jeden ersten Freitag im Monat demonstrieren. Auch am nächsten internationalen Aktionstag von „Fridays for Future“ am 15. März wollen sich die Wittener beteiligen.
Die Organisation lief bisher vor allem über Whatsapp. Die App lässt aber nur die Einladung von maximal 256 Teilnehmern in eine Gruppe zu. Nun will man sich vor allem über Instagram organisieren.
>> INFO: Manche Schulen erlauben Streik
- Die Schulleitungen können im Einzelfall darüber entscheiden, ob sie die Teilnahme an außerschulischen Versammlungen ermöglichen – auch wenn das NRW-Bildungsministerium möchte, dass das Freistellen nicht zur Gewohnheit wird.
- In Witten wird mit dieser Option unterschiedlich umgegangen: Beim Schiller-Gymnasium etwa bekommen die Schüler für die Demo nun keine Fehlstunden aufgeschrieben, beim AMG oder Ruhrgymnasium sieht das anders aus.