herne. . Die Herner SPD-Ratsfraktion sieht Korrekturbedarf bei einem neuen Gesetz zur Integration von Langzeitarbeitslosen. Was der SPD missfällt.

Meldungen über sinkende Arbeitslosenquoten und Ansiedlungen neuer Firmen sind in diesem Jahr fast schon die Regel. An der Gruppe der Langzeitarbeitslosen geht diese positive Entwicklung aber eher vorbei. Die SPD-Ratsfraktion setzt nun auf ein neues Bundesgesetz, sieht auf Basis des bisherigen Entwurfs und mit Blick auf den Herner Arbeitsmarkt aber noch erheblichen Korrekturbedarf.

Volker Bleck ist Vorsitzender des Sozialausschusses und SPD-Stadtverordneter.
Volker Bleck ist Vorsitzender des Sozialausschusses und SPD-Stadtverordneter. © Sabrina Didschuneit

Die Stadt stehe vor „einer Mammutaufgabe“, sagt der Sozialausschussvorsitzende Volker Bleck (SPD). Gerade die Bürger, die schon lange vergeblich Arbeit suchten, „haben ohne Unterstützung oft keine Chance auf einen festen Arbeitsplatz“. Laut der aktuellen Statistik gibt es derzeit in Herne 6526 Langzeitarbeitslose. Nach Angaben des Jobcenters stehen davon 4027 Menschen seit mehr als sieben Jahre im Leistungsbezug.

Individuelle Unterstützungsangebote

Das vom Bund als Entwurf vorgelegte „Teilhabe-Chancen-Gesetz“ soll dabei helfen, neue Perspektiven für diese Gruppe zu eröffnen. Kernpunkt sei ein öffentlich geförderter Arbeitsmarkt mit individuellen Unterstützungsangeboten, fasst die SPD das geplante Gesetz zusammen.

Ratsfraktions-Chef Udo Sobieski fordert jedoch Anpassungen insbesondere für Kommunen wie Herne. „Bei der Schaffung neuer Stellen im sozialen Arbeitsmarkt muss der Tariflohn bindend sein“, so Sobieski. Das sehe der Entwurf aber nicht vor.

Jobcenter-Chef unterstützt die Forderungen

Außerdem setze das Gesetz eine „deutlich zu lange Anspruchsvoraussetzung“ von einem siebenjährigen Leistungsbezug in den vergangen acht Jahren voraus, so Volker Bleck. Stattdessen sollte ein vierjähriger Leistungsbezug in den vergangenen fünf Jahren festgeschrieben werden, so die SPD.

Karl Weiß, Geschäftsführer des von der Stadt und der Arbeitsagentur getragenen Jobcenters, stellt sich hinter die Forderungen nach einem Tariflohn und einem vierjährigen statt siebenjährigen Leistungsbezug. „Das ist Konsens in Herne“, sagt er zur WAZ. Für eine Umsetzung des Gesetzes seien aber auch darüber hinaus noch viele Details zu klären - unter anderem, welche Betriebe dafür überhaupt in Frage kämen.

Insgesamt 200 Stellen sind das Ziel

Die Erfahrungen des bereits laufenden Bundesprogramms „Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt“ machten Mut, diesen Weg weiter zu beschreiten, so Weiß. Das Programm hat sich zum Ziel gesetzt, von Januar 2017 bis Ende 2018 insgesamt 140 Stellen in Herne zu besetzen.

Nach Angaben der SPD sind derzeit 136 Menschen über dieses Programm in Beschäftigung. Durch das neue Gesetz könne die Zahl auf bis zu 200 Personen erhöht werden. „Das reicht uns aber nicht“, so Sobieski und Bleck.

Und das sagen die Herner Bundestagsabgeordneten

Die beiden Herner Bundestagsabgeordneten Michelle Müntefering (SPD) und Paul Ziemiak (CDU) begrüßen das Gesetz. Es sei der richtige Weg zur Wiederintegration von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmark, so Ziemiak. Bei den nächsten Schritten komme es aber darauf an, strukturschwache Regionen wie das Ruhrgebiet zu stärken, so Müntefering. Und das antworteten die Bundestagsabgeordneten auf Fragen der WAZ Herne:

1.Wie bewerten Sie das Teilhabe-Chancen-Gesetz?

Michelle Müntefering: Chancen für Langzeitarbeitslose zu verbessern ist eines der wichtigsten Anliegen der SPD in dieser Wahlperiode. Gerade für Menschen in unserer Stadt hat das eine enorme Bedeutung.

Paul Ziemiak: Je länger ein Mensch arbeitslos ist, desto schwieriger ist es häufig, ihn wieder in Arbeit zu bringen. Das Teilhabe-Chancen-Gesetz ist ein wichtiges Instrument, dass eben diesen Prozess unterstützen soll. Auch vor dem Hintergrund der guten Konjunktur und der Herausforderungen für viele Unternehmen, die nach Mitarbeitern suchen, ist dieses Instrument der richtige Weg, um Wiederintegration in den Arbeitsmarkt zu stützen. Deswegen haben CDU, CSU und SPD diesen Gesetzvorschlag gemeinsam im Bundestag eingebracht.

2. Teilen Sie die Auffassung der SPD-Ratsfraktion, dass noch Anpassungen nötig sind?

Michelle Müntefering: Es gilt auch hier das “Strucksche Gesetz”, das besagt: Kein Gesetz kommt aus dem Bundestag so raus, wie es reingekommen ist. Als SPD-Ruhrgebiets-Abgeordnete insgesamt sehen wir durchaus auch noch Nachbesserungsbedarf im Gesetzentwurf.

Paul Ziemiak: Die Höhe der Unterstützung ist bereits im Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD vereinbart worden. Die SPD hat der Orientierung am Mindestlohn damals ausdrücklich zugestimmt. Wir dürfen denjenigen, die mit Hilfe des Teilhabe-Chancen-Gesetzes eine Beschäftigung finden nicht unterstellen, dass Sie keinen Beitrag zur Wertschöpfung leisten und erwarten deshalb vom Arbeitgeber, dass er bereits ist, in diese Arbeitskraft zu investieren, also auch den Teil der Lohnkosten trägt, die über den Mindestlohn hinausgehen. Über den Gesetzentwurf wird derzeit noch beraten, vor allem über die Anspruchsvoraussetzung wird noch diskutiert.

3. Sehen Sie aktuell weitere Möglichkeiten/Chancen, wie der Bund Kommunen mit hoher Langzeitarbeitslosigkeit helfen könnte?

Michelle Müntefering: Ja, natürlich! Die Herstellung von gleichwertigen Lebensverhältnissen ist und bleibt ein entscheidendes Thema. Es kommt jetzt darauf an, sich politisch auf weitere Schritte zu einigen - die große Kommission des Bundestages, die eben eingesetzt wurde, soll bis zum Sommer nächsten Jahres Ergebnisse vorlegen. Für mich gehören hier ganz klar die strukturschwachen Regionen, zu denen das Ruhrgebiet zählt, mit in den Fokus.

Paul Ziemiak: Der Bund unterstützt die Kommunen bereits bei der Vermittlung von Arbeitslosen. Kommunen mit hoher Arbeitslosigkeit bekommen bereits heute deutlich höhere Fördergelder als andere Kommunen. Die gesellschaftlichen Herausforderungen, die durch ein hohes Maß an Arbeitslosigkeit entstehen, müssen aber gemeinsam mit Bildungsträgern auf allen Ebenen angegangen werden. Hierfür sind auch regionale Bündnisse und Initiativen der Landespolitik wichtig.