Witten. . Die Vize-Vorsitzende der Tafel, Mareike Schreiber, sieht kritisch auf das Prinzip der Hilfe für Bedürftige. Und hat einige Wünsche fürs Fest.

Auf einen Kaffee kann man sich mit Mareike Schreiber gar nicht treffen. Sie trinkt nämlich keinen Kaffee. Aber dafür Tee – und den Beutel dafür hat sie sogar selbst in der Tasche. Keine Frage: Die stellvertretende Vorsitzende der Wittener Tafel geht achtsam und sorgsam mit Lebensmitteln um. Warum, das hat sie uns bei einer Tasse Tee verraten. Und warum sie sich eigentlich gar nicht freut, dass die Arbeit bei der Tafel so gut läuft.

Seit zwei Jahren sind Sie nun Vize-Vorsitzende der Tafel. Aber aktiv sind Sie schon viel länger, oder?

Schreiber: Ja, seit zwölf Jahren. Meine Verbundenheit zur Tafel ist aber viel, viel älter. Meine Mutter war damals die Mitbegründerin, schon als Schülerin war ich oft da und habe sie abgeholt. Auch mein Vater war im Vorstand.

Kann man also sagen, die Tafel ist Ihnen eine Herzensangelegenheit?

Ja, unbedingt. Ich mache das ja ehrenamtlich, habe mich nach zehn Jahren im Job als Bürokauffrau noch für ein Pädagogik-Studium entschieden, das ich bald abschließen werde. Und ich hoffe, dass ich die Arbeit bei der Tafel dann mit meinem Beruf vereinbaren kann.

Wenn Sie über die Jahre zurückblicken: Was hat sich verändert?

Es sind immer mehr Leute bei der Tafel geworden. Leute, die helfen – inzwischen besteht unser Team aus rund 20 Mitarbeitern – aber auch Leute, die Unterstützung brauchen. Die Nachfrage ist deutlich gewachsen. Nicht nur bei uns: Inzwischen gibt es bundesweit 940 Tafeln.

Sie sehen nicht so aus, als wären Sie glücklich darüber. . .

Nein, ich betrachte das Tafel-Prinzip sehr kritisch. Weil es das System der Zwei-Klassen-Gesellschaft aufrecht erhält.

Das Lädchen hat von 9 bis 13 Uhr geöffnet

Die Räume der Wittener Tafel befinden sich an der Herbeder Straße 22, im Eckhaus zur Hans-Böckler-Straße.

Das Tafel-Lädchen ist montags bis freitags von 9 bis 13 Uhr geöffnet, Frühstück gibt es von 8.30 bis 11.30 Uhr, Mittagessen von 14 bis 15 Uhr.

Kontakt: 421250, Mail an info@wittenertafel.de. Infos im Netz unter www.wittenertafel.de

Was wäre denn eine bessere Lösung?

Mehr Unterstützung für Bedürftige. Aber es ärgert mich noch etwas: Es ist eine Schande, welche Mengen an Lebensmitteln in unserem Land verschwendet werden. Wenn Sie sehen würden, wie viele vollkommen einwandfreie Ware wir bekommen, nur weil der Karton eine Beule hat oder weil einfach schon wieder Frisches in den Laden kommt – das ist schon Wahnsinn. Da muss ich mir als Verbraucher die Frage stellen, ob und wie ich dazu beitragen will.

Sie sagen, die Nachfrage wächst. Wer kommt denn zu Ihnen?

Vor allem viel mehr Rentner als früher. Viele alleinerziehende Mütter. Im Jahr 2015 kamen auch viele Flüchtlinge.

Aber solche Meldungen, die Flüchtlinge würden die Deutschen verdrängen, gab es in Witten nicht.

Nein, ich kann sagen, wir haben das ganz gut in den Griff bekommen.

Und wie viele Gäste haben Sie so täglich im Schnitt?

Bis zu 40 beim Frühstück, 40 bis 50 beim Mittagessen und im Laden. Am Monatsende ein paar mehr.

Und an Weihnachten?

Wir haben den Raum geschmückt, es gibt ein Festessen und kleine Geschenketüten. Und das Beste: Die Spendenbereitschaft steigt. Viele bringen Spielzeug oder Garderobe für Kinder. Das sammeln wir dann und verteilen es dort, wo Bedarf ist.

Freuen Sie sich darauf?

Nein, denn eigentlich ist es ja traurig. Aber schön ist, dass wir so viel Dankbarkeit zurück bekommen. Nicht nur an Weihnachten.

Und wenn Sie sich etwas wünschen dürften für Fest?

Ich würde mich freuen, wenn ich noch mehr Ehrenamtliche hätte, die regelmäßig vormittags anpacken können – beim Kochen oder Ware holen etwa. Und dann wäre es toll, wenn sich die Spendenbereitschaft über das ganze Jahr verteilen würde. Wir sind auf das Geld angewiesen – für Miete, Auto, Personalkosten.

Nur Geldspenden? Oder hapert es auch an Lebensmittel-Spenden?

Im Februar und im Sommer ist es oft knapp. Ein bis zwei Läden fehlen uns noch. . .

Gibt es noch einen Wunsch?

Ja, unbedingt. Ich möchte allen Ehrenamtlichen an dieser Stelle einmal Dankeschön sagen. Sie machen bei uns eine super Arbeit, die sind ein tolles Team!