Witten. . Manche der 167 Neu-Wittener leben seit Jahrzehnten hier. Eine Panne verwandelte einen Taiwaner in einen Chilenen.

„Yang?“ Ratloses Schweigen auf die Frage, woher der Name denn komme. Mark Yang wird mit großem Applaus zur feierlichen Urkundenvergabe aufgerufen – als „Chilene“. Das Lachen kann sich der 33-Jährige nicht verkneifen.

Yang wurde in Hamburg geboren, seine Eltern stammen aus Taiwan. Bisher hatte er nur die taiwanische Staatsbürgerschaft. Gemeinsam mit den anderen Glücklichen im Saal des Ardey Hotels bei der diesjährigen Einbürgerungsfeier spricht er den Eid – schwört auf das Grundgesetz und die Bundesrepublik. Urkunde abholen, Gratulation von Bürgermeisterin Sonja Leidemann, lächeln, fertig: endlich offiziell Deutscher.

Seine angebliche Herkunft aus Chile erklärt sich Yang mit einem kleinen Denkfehler: Taiwan sei China zugeordnet worden. „Und aus dem Chinesen wird eben schnell der Chilene.“ Für die ersten Erinnerungen an Taiwan, muss er fast 30 Jahre zurückblicken: „Mein Vater hat sich mit einem Restaurant in Deutschland selbstständig gemacht. Und mich nach Taiwan zu meinen Großeltern geschickt“, erzählt er. Da war er gerade zwei Jahre alt. Und habe irgendwann nur noch geweint.

Kein Einbürgerungstext mit Schulabschluss

Nach drei Jahren war Yang wieder in Deutschland. Jetzt studiert er in Bochum Sinologie und Germanistik auf Lehramt. Seine Wurzeln aber will er auf keinen Fall vergessen: „Klar war das auch traurig, den alten Pass abzugeben.“

Solche emotionalen Momente kennen Sylvia Meuser und Andrea Honert von der Ausländerbehörde gut. „Manchmal wird gebeten, ob man nicht doch seinen ursprünglichen Pass behalten darf“, verrät Meuser. Die beiden haben zwischen Oktober 2017 und September 2018 insgesamt 167 Wittenern die deutsche Staatsangehörigkeit verliehen. Den berühmten Einbürgerungstest mit seinen 33 Fragen müssen in dem langwierigen Antragsverfahren nur die absolvieren, die keinen Schulabschluss in Deutschland haben.

Brexit brachte das Umdenken

Gundula Marie Talbot würde den Test ohnehin problemlos bestehen. Die gebürtige Britin lebt nun seit über 55 Jahren in Deutschland. Ihre Wurzeln aber liegen in West Bromwich, nordwestlich von Birmingham. Fast jedes Jahr setzt sie sich in den Flieger in Richtung Heimat. „Vor ein paar Jahren habe ich sogar mein Geburtshaus wiedergesehen. Komplett renoviert, aber ansonsten alles wie früher.“

Quasi ihr ganzes Leben hat die 60-Jährige in Deutschland verbracht, warum aber nie den deutschen Pass beantragt? „Es war einfach nicht notwendig.“ – was sich mit dem Brexit-Referendum schlagartig änderte: Durch die Annahme der deutschen Staatsbürgerschaft will sie jetzt ein Zeichen setzen gegen die Abschottung der Briten aus der EU.

Am anderen Ende der Altersskala steht die zehnjährige Julie Royale Nkwekeu Bissu. Rote Strähnen trägt sie, bis unter die Schulter reichende Dreadlocks – und stolz ihre Urkunde. In ihrer Heimat Kamerun war das Mädchen ein einziges Mal – vor vier Jahren in der Hauptstadt Jaunde. „Viel Verkehr und Gehupe“, das weiß sie noch genau, „aber sehr nette Menschen.“ Mama Marie Ange Ngo Masoda kam der Liebe wegen nach Witten, Vater Christian Nkwekeu lebt seit 29 Jahren hier. Seine zweite Fremdsprache auf der Schule in Kamerun war – wie passend – Deutsch.

>> Info: Die meisten Neubürger kommen aus der Türkei

  • Von den 167 eingebürgerten Wittenern kommen die meisten aus der Türkei (31), aus dem Kosovo (14) und aus Polen (12).
  • Das Alter der Eingebürgerten reicht von einem Jahr bis 73 Jahren. Das jüngste Kind hat Schweizer Eltern und wurde hier geboren. Die älteste Person stammt aus Finnland und lebt seit 49 Jahren in Deutschland.