Witten. . Netto hatte schon 2013 erwogen, an der Schleiermacherstraße zu schließen. Im Juni machte die Filiale dicht, jetzt hat Mehmet Maltepe übernommen.

Helene Blecher wählt Pflaumen aus, Paprika und Eier, und schiebt den Einkaufswagen weiter in Richtung Brotabteilung. „Ich wohne seit 20 Jahren in diesem Viertel und bin froh, dass es den Supermarkt noch gibt“, sagt die Rentnerin. Selbstverständlich ist das nicht.

Als der Discounter Netto die Filiale an der Schleiermacherstraße aufgab, um neu und doppelt so groß auf dem Wickmann-Gelände zu eröffnen, bedeutete das zunächst das Ende der Nahversorgung in dem Wohngebiet zwischen Ardey- und Annenstraße. Mehmet Maltepe eröffnete dann auf eigene Faust am 31. August dort einen „Frischmarkt“.

Besitzer Düchting bemüht sich

In einer Zeit, in der Discounter den Lebensmittel-Einzelhandel beherrschen, wirkt Maltepes Schritt mutig. Der 50-Jährige betrieb zunächst den Kiosk neben dem Supermarkt an der Schleiermacherstraße, dann den Kiosk an der Annenstraße, der durch die Konzerte der Trinkhallen-Tour bekannt ist.

Der Frischmarkt an der Schleiermacherstraße.
Der Frischmarkt an der Schleiermacherstraße. © Jürgen Theobald

Als Netto ging, sei Hausbesitzer Dr. Wolfgang Düchting, der Chef von Pumpen Düchting, auf Maltepe zugegangen. „Dem Mann liegt der Stadtteil am Herzen, der ist hier groß geworden und hat eine soziale Ader“, sagt Marc F., der im Kiosk hinter der Kasse steht und viele Geschichten aus dem Stadtteil kennt. Nur weil Düchting die Miete gesenkt habe, sei es überhaupt möglich, den neuen Supermarkt zu betreiben. Schon 2013 hatte Vermieter Wolfgang Düchting den Netto-Markt nur mit Mühe halten können, 2014 verlängerte der Marken-Discounter den Mietvertrag.

„Netto hat unser Quartier aufgegeben“

Doch Ende Juni blieben die Türen ganz geschlossen. Im Mai 2018 erfolgte die Netto-Neueröffnung in einem schicken Gebäude an der Westfalenstraße, wo sich die großen Discounter – Lidl, Penny, real – tummeln. „Nur weil Netto meint, dass man in Annen-Mitte 300 Kunden bei Lidl weglocken kann, geben die unser Quartier auf“, ärgert sich Marc F.. „Das ist eine große Wohngegend, hier gibt es viele Rentner und Migranten. Die haben nicht alle ein Auto, um dort runter zu fahren.“

Mehmet Maltepe hat eine „mittlere sechsstellige Summe“ investiert, um den Netto in einen „Frischmarkt“ umzuwandeln. „Unsere Nische ist die Nahversorgung. Wir glauben, dass solche Läden wieder gefragt sind, weil auch die Bevölkerung älter wird. Die Leute kaufen dann lieber in der Nähe ein.“

Ähnliche Situation in Schnee oder Vormholz

Maltepe bezieht seine Waren über einen Anbieter, der auch die Edeka-Läden bedient. Die Preise scheinen höher als beim Discounter zu sein. „Aber sie sind ok, manches ist auch günstiger“, betont Maltepe. „Die Mischkalkulation stimmt.“ Wie läuft der Laden, sechs Wochen nach Eröffnung? „Momentan bin ich zufrieden. Aber im Einzelhandel zu überleben, ist wirklich schwer.“

Dabei macht Maltepe das, was immer gefordert wird, wenn in den Stadtteilen ein Supermarkt wegbricht – der Schnee ohne seinen Edeka oder Vormholz ohne den Coop lassen grüßen. Er bietet alles Notwendige an – Essbares, Drogerieartikel, Getränke, Glückwunschkarten. Er verteilt Prospekte mit Angeboten, von der Mayonnaise bis zur Scheuermilch.

Trotzdem nur wenige Kunden vor Ort

Trotzdem finden sich bei unserem Besuch nur wenige Kunden im Geschäft. „Ich gehe zu Lidl, dieser Laden ist was für den Notfall“, sagt eine junge Frau. Jutta Lange kauft mit ihrer Tochter Mia ein, „nur Kleinigkeiten, wenn ich was vergessen habe.“ Dani Daniel springt kurz ins Geschäft, bevor sie sich wieder um ihre Enkelin kümmern muss. „Mir ist es wichtig, dass ich zu Fuß einkaufen kann und dass die Qualität stimmt“, sagt sie. „Hoffentlich hält der noch lange durch.“

>> Ketten dominieren die Lebensmittelversorgung

Privat geführte Supermärkte gibt es in Witten kaum noch. Es sind Ketten wie Rewe, Edeka, Aldi, Lidl, Netto oder Penny, die die Lebensmittelversorgung übernommen haben.

In Bommern gibt es außerdem im ehemaligen Aldi am Bodenborn eine Filiale der Kette NEO, die osteuropäische Spezialitäten anbietet. Auch DEPO an der unteren Bahnhofstraße gehört zu einer türkischen Supermarktkette.