Witten. . Günter Wallraff hat einen Fachmann eingeschleust. Der entdeckte Missstände: Mieter sollen für Heizungsventile zahlen, die nie verbaut wurden.
Über die Modernisierung ihrer Wohnungen an der Schulze-Delitzsch-Straße – und die damit erfolgten Mieterhöhungen – haben sich die Bewohner bereits mehrfach beklagt. Nun bekamen sie prominente Unterstützung: Der Journalist Günter Wallraff schickte sein „Team Wallraff“ vorbei. Die RTL-Reportage wurde am Montagabend gesendet. Wallraff konnte einen Fachmann in einen Heizungskeller der Vonovia-Häuser einschleusen. Der entdeckte etliche Missstände – unter anderem, dass die Mieter für Heizungsventile zahlen, die nie verbaut wurden.
Die Wohnungsgesellschaft Vonovia steht oft im Blickpunkt der Wallraff-Fahnder. In den letzten Monaten recherchierten mehrere Reporter in verschiedenen Städten. Ihr Ansatz: Mit welchen Methoden versuchen Großvermieter, ihre Gewinne auf Kosten der Mieter zu maximieren? Dazu hatte sich die Produktion an den Mieterschutzbund gewandt. Der Ärger der Mieter aus der Schulze-Delitzsch-Straße war dort bekannt.
„Extremen Pfusch bei der Ausführung der Arbeiten“
Im Doppelhaus 17-19 war 2016 die Ölheizung gegen eine Gastherme ausgetauscht und die Fassade erneuert worden. Team Wallraff ließ Heizungsbaumeister Detlef Poullie die neue Anlage überprüfen, zum Vergleich bekam er die Abrechnungsliste der Baukosten in die Hand.
„Zu seinem Entsetzen stellte der Heizungsbaumeister extremen Pfusch bei der Ausführung der Arbeiten fest“, so RTL. Im TV-Beitrag sieht man offene Leitungen, fehlende Anschlüsse, unverputzte Rohre. Es wirkt, als hätten die Arbeiter eine Baustelle Hals über Kopf verlassen. Trotzdem bezahlen einige Bewohner für die Modernisierung des Hauses seit Februar knapp 120 Euro mehr Miete.
Not-Ausschalter und Ventile fehlen
Experte Poullie stellte auch fest, dass manche Teile zwar abgerechnet, aber nicht verbaut wurden. So fehlt ein neuer Not-Ausschalter und auch die fast 100 verrechneten Heizkörperventile im ganzen Haus konnte er bei Stichproben in den Wohnungen nicht finden.
„Team Wallraff“ hat bei Vonovia nachgefragt, ob die Ventile wie angegeben auch installiert wurden. Kurz bevor die Frist zur Stellungnahme endete, wurden die abgerechneten Thermostat-Ventile installiert. Vonovia bedauerte in einem Schreiben „Abrechnungsfehler“ und versprach, die Kostenverteilung zu kontrollieren.
Vonovia: Heizungskeller entspricht allen Sicherheitsstandards
Für Knut Unger vom Wittener Mieterverein ist dieser Vorgang ein weiteres Beispiel dafür, dass „von der Vonovia zu Lasten der Mieter überhöhte und vorgetäuschte oder auch unsinnige Kosten berechnet werden“. Unger weiter: „Die gesamte Maßnahme ist rechtswidrig. Vonovia möchte Rendite erwirtschaften und kümmert sich mit einem unzureichenden Apparat um ihre Baustellen.“
Nina Henckel von der Vonovia-Pressestelle beschreibt den Vorfall anders. Dass es sich um „extremen Pfusch“ handeln soll, weist sie zurück. Vonovia hatte keine Kenntnis darüber, wann die Aufnahmen in der Anlage entstanden sind. „Wir können jedoch sagen, dass die Heizungsanlage Stand heute technisch einwandfrei funktioniert und der Heizungskeller allen Sicherheitsstandards entspricht“, sagt Herbert Filthaut, Leiter Technische Gebäudeausrüstung.
Mieterverein will Staatsanwaltschaft einschalten
Es sei richtig, dass von 160 Ventilen nur 130 in den Gebäuden 13 bis 19 eingebaut worden sind. Diese Heizkörper wären im Beitrag jedoch nicht gezeigt worden. 30 Ventile konnten erst verspätet nachgerüstet werden, „weil wir leider keinen Zugang zu den Wohnungen hatten. Diese sind auch noch nicht abgerechnet worden“, sagt Filthaut.
Dass Vonovia systematisch zu hohe Abrechnungen nach Modernisierungen ausstelle, belege der TV-Beitrag nicht. Nina Henckel: „Die Preise, zu denen der Technische Service für die Vonovia tätig ist, orientieren sich am Marktniveau. In unseren Abrechnungen, die wir unseren Kunden zur Verfügung stellen, schaffen wir hierzu größtmögliche Transparenz.“
Knut Unger sagt, es gebe genug Belege, die mögliche Täuschungsversuche bei den Betriebskostenabrechnungen dokumentieren: Der Mieterverein will nun die Staatsanwaltschaft einschalten.
>> Mieter boykottierten auch Fragebogen-Aktion
Vonovia bewirtschaftet rund 1000 Wohnungen in Witten. Das börsennotierte Unternehmen mit Sitz in Bochum ist der größte private Vermieter Deutschlands. Oft gibt es Kritik, dass aufgrund des Gewinnstrebens die Interessen der Mieter vernachlässigt würden.
Zuletzt boykottierten die Mieter aus der Schulze-Delitzsch-Straße eine Fragebogenaktion zu einer geplanten Modernisierung mit anschließender Mieterhöhung. Die Nettokaltmiete sollte danach 7,38 Euro/m² kosten. Für vergleichbare Wohnungen sind laut Mietspiegel 5,68 Euro/m² ortsüblich.