Witten. . Von 147 auf 68 Kilo: Nicole Schmidt ließ sich im Adipositas-Zentrum des Marien-Hospitals in Witten operieren und nahm an einem Ernährungsprogramm teil. So hat sie ihre Fettleibigkeit bekämpft.

„Viele rennen auf der Straße erst an mir vorbei, bleiben dann erschrocken stehen und fragen: Mein Gott, was ist mit dir passiert?“ Nicole Schmidt hat abgenommen, 80 Kilo in neun Monaten nach einer Magen-OP. Sie verlor ihr halbes Körpergewicht und gewann eine neue Lebensqualität. Es macht ihr nichts aus, mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit zu gehen: „Ich muss mich sowieso ständig erklären.“

Als 100. Patient 2017 am Magen operiert

Nicole Schmidt wurde als 100. Patientin des Jahres 2017 im letzten Dezember im Adipositaszentrum des Marien-Hospitals am Magen operiert. Sie nahm auch an einem vielfältigen Konzept teil, das die Klinik anbietet: Ernährungsberatung, psychologische Therapie, Sport und Besuch einer Selbsthilfegruppe.

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Ihr Schicksal ist beispielhaft für viele, denn die Zahl Fettleibiger steigt in Deutschland. Ebenso wächst die Zahl der Menschen, die sich dazu bekennen, durch eine Operation die Adipositas bekämpft zu haben, wie der einstige SPD-Chef und Vize-Kanzler Sigmar Gabriel.

Nicole Schmidt sagt, dass sie schon als Kind korpulent gewesen sei und etliche Diäten durchprobiert habe. Den Jojo-Effekt kennt sie zur Genüge. „Vor allem konnte ich nicht nach Weight Watchers leben und gleichzeitig für meine Familie kochen.“

Dick geworden nach der ersten Schwangerschaft

Dick wurde sie nach der ersten Schwangerschaft mit 21 Jahren. Hinzu kam die Erkrankung an Diabetes Typ 2 und Asthma. Dann erlitt die Bibliotheksmitarbeiterin und dreifache Mutter 2015 einen Bandscheibenvorfall. Sie war an die Wohnung gefesselt, „da ging ich richtig auseinander. Und war an einem Punkt, wo ich wusste, allein schaffst du das nie.“ Zuletzt kam noch ein hoher Konsum von Cola hinzu, „vier bis fünf Liter am Tag“.

So sah Nicole Schmidt im Dezember 2017 aus.
So sieht Nicole Schmidt im September 2018 aus.
So sah Nicole Schmidt im Dezember 2017 aus. © St. Elisabeth Gruppe

Nicole Schmidt im Dezember 2017 und im September 2018

„Das ist ein Teufelskreis“, sagt ihr behandelnder Arzt, Prof. Dr. Metin Senkal vom Marien-Hospital, der das dortige Adipositas-Zentrum leitet. „Viele Hausärzte diagnostizieren Übergewicht und empfehlen: Essen Sie weniger und treiben Sie Sport. Aber ab einem gewissen Punkt bringt das nichts, da kommen sie allein nicht runter.“

Beratungsgespräch im Adipositas-Zentrum Witten

Für Nicole Schmidt heißt das: Statt 146 Kilo sind 68 für ihre Größe normal. In einem Beratungsgespräch im Adipositas-Zentrum empfahl man ihr, am „multimodalen Konzept“ teilzunehmen, das das Krankenhaus kostenlos anbietet. Nur wer diese Therapie durchläuft, bekommt von der Krankenkasse auch die Kosten für eine Magen-Operation erstattet.

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Nicole Schmidt nahm bereits 20 Kilo ab – durch Ernährungsumstellung und das Weglassen von Cola. „Das war wie ein kalter Entzug. Ich war aggressiv, tieftraurig, hatte Kopfschmerzen.“

Es folgte der medizinische Eingriff. Zwei Varianten gäbe es, erklärt Metin Senkal. Entweder wird das Organ zu einem Schlauch verkleinert – die häufigste Methode. Bei Diabetes-Patienten wählt man auch oft eine Bypass-Operation. Dabei wird ein kleiner Teil des Magens vom übrigen Organ abgetrennt und mit dem Dünndarm verbunden. So kommt die Nahrung erst verspätet mit den Verdauungssäften zusammen. Zwei Meter des Dünndarms werden so „abgekürzt“, der Körper kann weniger Kalorien aufnehmen.

Schönheits-OP erst nach Probezeit

Diese OP erhielt auch Nicole Schmidt. Zurzeit wird sie – zwei Jahre lang – durch das Adipositas-Zentrum nachbetreut. Wie andere Patienten auch hat sie eine feste Ansprechpartnerin, die Koordinatorin Janett Macit. Erst wenn der Patient gezeigt hat, dass er das Zielgewicht erreichen und halten kann, könnte eine zweite „Schönheits“-OP erfolgen, bei der zum Beispiel die überschüssige Haut an Bauch, Oberschenkel oder Oberarm entfernt wird. Fasziniert ist sie davon, dass auch die Begleiterscheinungen der Krankheit mit der OP verschwanden: wie Diabetes und das Asthma.

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Adipositas-Patientin Nicole Schmidt, hier mit ihrem behandelnden Arzt Prof. Dr. Metin Senkal, erzählt ihr Schicksal am 24.09.2018 im Marienhospital am Marienplatz 1 in 58452 Witten. Sie hat nach einer aufwändigen Magenoperation ca. 70 kg abgenommen. Foto: Jürgen Theobald / FUNKE Foto Services

Nicole Schmidt im Dezember 2017 und im September 2018

Prof. Metin Senkal hält eine Magen-Operation „langfristig für die einzige Methode, sein Gewicht nach Fettleibigkeit zu halten“. Die Rückfallquote sei gering, aber es gäbe sie: „Eine Patientin von mir hatte kurz nach der OP wieder ihre Kilo drauf, weil sie nicht auf Eistee verzichten wollte.“ Für Nicole Schmidt war der wichtigste Faktor fürs Abnehmen die Ernährungsumstellung.

Sie koche frisch, esse aber deutlich weniger und in einer anderen Reihenfolge: „Zuerst eiweißreich, also Fisch, Fleisch, Eier. Dann Obst und Gemüse. Und erst wenn ich dann noch hungrig bin, greife ich zu den Kohlenhydraten, etwa Kartoffeln.“ Nudeln und Reis esse sie gar nicht mehr, ebenso wenig Fix-Produkte oder Fertiggerichte. „Man kann auch Ketchup selbst machen.“

Wichtig ist die Arbeit in der Selbsthilfegruppe

Auch ihre Familie ernährt sich nach dem neuen Speiseplan: „Der Papa hat fünf Kilo abgenommen, unser kleiner Sohn, der auch übergewichtig war, sieben Kilo. Und ich kann mir die Klamotten unserer Tochter ausleihen.“ Und was, wenn die Kinder in die Eisdiele wollen? „Dann gehe ich mit und esse eine Kugel Fruchteis.“ Arzt Metin Senkal betont: Wenn die Familie nicht mitziehe, sei das Projekt zum Scheitern verurteilt. „Adipositas-Therapie ist auch Familientherapie.“

Adipositas und die Folgen

Der lateinische Begriff Adipositas bedeutet starkes oder krankhaftes Übergewicht, oft wird auch von „Fettleibigkeit“ oder „Fettsucht“ gesprochen.

 

Ein grobes Maß dafür ist der Body-Mass-Index. Mit zunehmendem Übergewicht steigt das Risiko für Begleiterkrankungen.

 

Es gibt in Deutschland 56 von der Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie zertifizierte Adipositaszentren, eines in Witten.

 

In 2017 kümmerte sich das Zentrum um etwa 100 Patienten. 2018 rechnen Prof. Senkal und sein Team mit 150 Betroffenen.

 

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Einen wichtigen Anteil an einer Gewichtsreduzierung misst Metin Senkal der Wittener Selbsthilfegruppe bei: „Viele praktische Infos erfahren die Betroffenen dort und nicht bei mir. Die authentischen Berichte bauen viele Barrieren ab.“ Und: „Wir stellen häufig fest, dass Betroffene sich nicht zurechtfinden im Leben. Allein dass ihnen jemand zeigt, wie man einkaufen muss, ist eine unbezahlbare Arbeit.“