Witten. . Ex-Verkehrsplaner Andreas Müller setzt sich nun ehrenamtlich für ein fahrradfreundliches Witten ein. Als Erstes will er Schülern aufs Rad helfen.
Witten hat seit dieser Woche einen Fahrrad-Botschafter – es ist der erste in ganz Deutschland und erst der vierzehnte in der ganzen Welt. Und der erste „Amtsträger“ in der Ruhrstadt ist ein alter Bekannter: Andreas Müller (65), der noch bis Mai als städtischer Verkehrsplaner Straßen, Radwege und ÖPNV-Verbindungen geplant hat, will die Wittener künftig ehrenamtlich zum Radfahren bewegen.
Organisation setzt sich für fahrradfreundliche Städte ein
„Erfunden“ hat den Titel des „Bicycle Mayors“, also eigentlich des Fahrrad-Bürgermeisters, die niederländische Organisation BYCS. Sie hat schon Amsterdam besser in den Sattel geholfen, will weltweit die Entwicklung fahrradfreundlicher Städte fördern und hat sich das ambitionierte Ziel „50by30“ auf die Fahnen geschrieben. Bis 2030 sollen 50 Prozent aller Wege in einer Stadt mit dem Rad zurückgelegt werden. Die Fahrrad-Bürgermeister sollen als Köpfe der Bewegung auftreten, Kampagnen entwickeln und ein Netzwerk bilden. 2016 bekam Amsterdam die erste Rad-Bürgermeisterin. Vor Müllers „Berufung“ durch BYCS hatte die Organisation dreizehn auf sechs Kontinenten. Kapstadt und Sao Paolo sind dabei. 2020 sollen es einhundert sein. Ab dem 6. Oktober nimmt Müller an einem Weltkongress in Mexico-Stadt teil.
„Um Verwechslungen auszuschließen“, so Müller, habe man sich für den deutschen Sprachraum auf den Ehrentitel des Fahrrad-Botschafters verständigt. Eine Bürgermeisterin hat Witten ja schon. Aber Müller stellt klar, dass sein Projekt auch in Politik und Stadtverwaltung grundsätzlich gutgeheißen werde. SPD, Grüne und Piraten hätten ihm Unterstützung zugesichert, auch von den meisten anderen Fraktionen habe er positive Rückmeldungen bekommen.
Das erste große Projekt habe ihm Sonja Leidemann selbst vorgeschlagen: In Kooperation mit dem Kijupa und der Wabe will er sich dafür einsetzen, dass mehr Schüler der weiterführenden Schulen mit dem Rad zur Schule kommen. Er will sich mit ihnen auf die Suche nach sicheren Wegen machen, Reparaturtreffs und Tauschbörsen für Räder anstoßen, mit der Wabe die Abstellanlagen verbessern. „Schüler fahren am liebsten in der Clique“, weiß Müller. In den Herbstferien will er einen „Bikerrave“ anbieten, eine Radtour für Schüler mit Musik. Er hofft, dass die Schulen beim „Stadtradeln“ 2019 dann schon viele Kilometer zusammen erstrampeln.
Müller hält 50 Prozent für erreichbar
Die niederländische Organisation BYCS, die Andreas Müller (65) jetzt zu Wittens Fahrrad-Botschafter ernannt hat, tritt dafür ein, dass 2030 die Hälfte aller Wege in einer Stadt mit dem Rad zurückgelegt werden. Müller hält „50by30“, wie die Kampagne heißt, auch in Witten für möglich. Dabei komme es allerdings auf die Zählweise an. „Nimmt man nur die Wege bis zu fünf Kilometer innerhalb der Stadt, könnten wir das schaffen.“ Offiziell gezählt werden aber alle Wege. Da liegt Witten bei einem Radfahrer-Anteil von sechs Prozent und will diesen bis 2025 erst mal auf zwölf Prozent verdoppeln.
Wichtige Lückenschlüsse
Einen Schub beim Umstieg aufs Rad erhofft sich Müller davon, wenn drei große Infrastruktur-Lücken für den Alltagsradverkehr geschlossen werden. Gemeint sind der Brückenschlag des Rheinischen Esels über die Pferdebachstraße, der Ausbau der unteren Ruhrstraße und die Asphaltierung der Herbeder Straße (Kopfsteinpflaster) zwischen Bahnhofstraße und Heven. Diese Projekte fallen in den Bereich des Radverkehrskonzepts, das ein Expertenbüro gerade für die Stadt ausarbeitet.
Als Fahrrad-Botschafter sieht Andreas Müller seine Aufgaben jetzt bei „den weichen Maßnahmen“, um das Radfahren zu fördern. „Für jeden Lebensabschnitt, für den Weg zur Schule, zur Arbeit oder zum Einkaufen, für Spazierfahrten oder Radreisen, gibt es besondere Lösungen.“ Der leidenschaftliche Radfahrer, der die Hälfe der europäischen Staaten mit dem Rad bereist hat, setzt bei der Suche nach diesen Lösungen auch auf die Gruppen, die jetzt schon gerne mit dem Rad unterwegs sind. Er will gemeinsam mit diesen jeweils eigene Kampagnen entwickeln. Müller ist sich sicher: „Nicht nur das Radfahrern bereitet Freude, vielen macht es auch einfach Spaß, ein bisschen die Welt zu retten.“
>> Unterstützung auch vom ADFC
Hildegard Recke vom Allgemeinen Deutsche Fahrradclub (ADFC) EN unterstützt Müller bei den Projekten. Die pensionierte Lehrerin aus Wetter hat an der Reichweinschule unterrichtet.
Nähere Informationen gibt es auf bycs.org und bei A. Müller, 172 94 09, mueller@
bicyclemayor-witten.de.