Witten. . Koalition meldet massive Zweifel an Projekt zur Erinnerung an die Eisenhütten. Bündnis fragt nach den Folgekosten und dem Stellenwert der Funde.
Die Frage, ob das neue Gewerbegebiet Drei Könige ein „archäologisches Fenster“ bekommt, das auch künftig Einblicke in die Geschichte der Steinhauser Hütte (1853/54 bis 1873) erlaubt, ist noch offen. Auf Antrag der GroKo wurde die Entscheidung vertagt, die jetzt eigentlich im Stadtentwicklungsausschuss fallen sollte. Das Bündnis hatte kurzfristig eine lange Latte von Fragen eingereicht – und meldete in der Aussprache massive Zweifel an.
Für die Sicherung des Archäologiefensters veranschlagt die Stadt 200 000 Euro, für ein erstes Konzept 50 000, weitere 200 000 als Mindereinnahme, weil das Gewerbeareal um 7,5 Prozent schrumpfen würde. Für das Gesamtpaket baut sie auf 80 Prozent Fördermittel vom Land. Die Stadt stellt zudem klar dass die Sicherung Zaun, Böschung und „eine wetterfeste Abdeckung“ umfasse – aber noch kein Dach wie das der St. Antony Hütte, das sie als Beispiel für eine Dauerausstellung angeführt hatte. Das Dach in Oberhausen soll 500 000 Euro gekostet haben.
Wiegand: „Können Euphorie nicht mittragen“
SPD-Ratsherr Klaus Wiegand fragte für die GroKo nicht nur nach den Folgekosten für die Reinigung, Instandsetzung und Unterhaltung und, „ob wir das Fenster nicht etwas kleiner halten können“. Man könne „auch inhaltlich die Euphorie“ der Stadt und des Landschaftsverbands Westfalen Lippe (LWL) „nicht mittragen“. Man sei noch nicht überzeugt, dass die Funde tatsächlich „europaweit einmalig“ seien.
Diese Zweifel stützte Gerhard Koetter (81), der die Ausgrabungen vor Ort minutiös verfolgt hat und als Mitglied des Denkmalbeirats das Wort ergriff. Von den vermeintlich einmaligen Puddelöfen seien nur Fundamente erhalten – „und die haben wir genauso an anderen Stellen“. Koetter erinnerte an die klare Rollenverteilung von Zeche Nachtigall für die Bergbaugeschichte und der Henrichshütte in Hattingen als Erinnerungsstätte für die Eisen- und Stahlindustrie – „und dazu gehört auch das Puddelverfahren“. Das viele Geld für ein isoliertes Archäologiefenster solle man lieber verwenden, um „den Schandfleck neben Zeche Nachtigall zu beseitigen“, also die Überbleibsel der Gießerei Ritz, beendete Koetter sein Plädoyer, für das er viel Applaus erntete. Olaf Schmidt-Rutsch vom Industriemuseum Dortmund aber widersprach.
LWL-Referent: Bisher nur oberstes Niveau sichtbar
Vergleichbare Spuren des Puddelverfahrens um 1855 „und so gut erhalten“ gebe es nirgendwo in Europa, so Schmidt-Rusch. „Das ist schon außergewöhnlich.“ Das hätten international anerkannte Experten bestätigt. Originalpläne der Gewerbepolizei wiesen den Bereich als Standort von fünf Puddelöfen, eines Hammers und eines Walzwerks aus. Dass man noch nicht mehr sehen könne, liege daran, dass „wir dort bisher nur bis zum ersten Planum abgezogen habe“. Anderswo auf Drei Könige gab es bis zu drei Ausgrabungsebenen. Der Fachbereich Archäologie der Ruhruni Bochum ist bereit, die Fläche – ohne Kosten für die Stadt Witten – weiter industriearchäologisch zu untersuchen.
>> Brache ist fast aufbereitet
Anders als Gerhard Koetter sprach sich Wolfgang Lippert, auch im Denkmalbeirat, für „die touristische Attraktion“ aus. Sie werte auch den Gewerbestandort Drei Könige auf. „Mit diesem Pfund können Betriebe wuchern“.
Die Fördermittel könnten nicht anderswo eingesetzt werden, so Baurat Rommelfanger. Er rät, die Stelle zu sichern, ein Konzept zu erstellen, dann zu entscheiden. 90 bis 95 Prozent der Brache sind aufbereitet. Die Arbeiten sollen in vier bis fünf Wochen abgeschlossen sein.