Witten. . Drei Könige: Experten des Landschaftsverbandes sprechen von einem „Industriearchäologischen Park“. Neue Gewerbefläche würde dann 3000 qm kleiner.

Für die Stadt Witten, den Landschaftsverband Westfalen Lippe (LWL) und das LWL-Industriemuseum Dortmund ist der Fall klar: Sie schätzen den Stellenwert der Steinhauser Hütte mittlerweile so hoch ein, dass sie den Teilbereich der industriegeschichtlich besonders wertvollen Puddelöfen für künftige Generationen erhalten wollen. Ein „archäologisches Fenster“ im neuen Gewerbegebiet Drei Könige soll dort einen Blick in die Vergangenheit ermöglichen.

Diesem Projekt müsste am Donnerstag zunächst der Stadtentwicklungsausschuss und später der Rat zustimmen. Voraussetzung ist zudem eine erhoffte großzügige Förderung aus unterschiedlichen Töpfen. Dabei geht es um die im nördlichen Teil der Fläche (an der Bahnlinie, Richtung Crengeldanz) gefundenen Reste des ehemaligen Puddel- und Walzwerks. Es stellt den ältesten Teil der ab 1854/55 betriebenen Steinhauser Hütte dar.

„Erhaltungszustand europaweit einmalig“

„Die archäologisch fassbaren Fundamente aus frühindustrieller Zeit sind von überregionaler Bedeutung und in ihrem Erhaltungszustand europaweit einmalig“, sagt Wittens Denkmalschützer Florian Schrader. „Sie bezeugen den massiven Wandel der deutschen Stahlindustrie an der Schwelle zur Hochindustrialisierung.“ An keinem anderen Ort im Ruhrgebiet sei diese Phase so gut belegbar wie auf dem Gelände Drei Könige. Die Funde bezeugten zudem, dass Witten nicht nur bei der Kohleförderung, sondern auch bei der Stahlerzeugung zu den frühen Zentren der Industrialisierung im Ruhrgebiet gezählt habe.

Knapp 3000 m² müssten für das „Archäologische Fenster“ (rechts in der Mitte) vom neuen Gewerbegebiet Drei Könige abgezwackt werden. Die neue Erschließungsstraße würde dort enden. Von der Bahn (rechts) aus würde man das Dach sehen.
Knapp 3000 m² müssten für das „Archäologische Fenster“ (rechts in der Mitte) vom neuen Gewerbegebiet Drei Könige abgezwackt werden. Die neue Erschließungsstraße würde dort enden. Von der Bahn (rechts) aus würde man das Dach sehen. © Helge Hoffmann

Im ersten Schritt soll das „Archäologiefenster“ zunächst für 200 000 Euro gesichert werden – mit wetterfestem Dach, für das die St. Antony Hütte in Oberhausen als Beispiel genannt wird, und mit einem stabilen Zaun gegen unbefugtes Betreten. Weitere 50 000 Euro werden angesetzt, um für die weitere Ausgestaltung ein Gesamtkonzept zu entwickeln.

Informationspunkt und Besuchersteg

Als mögliche Bausteine werden genannt: Ein Informationspunkt, der neben den Funden vor Ort auch die Geschichte der Steinhauser Hütte sowie der Stahlindustrie im Ruhrgebiet vermittelt. Über die Ausgrabungsstätte selbst soll ein Besuchersteg mit weiteren Infotafeln führen. Um die Fläche auch touristisch in die Route der Industriekultur einzubinden, soll das „Archäologiefenster“ außerdem über einen Fußweg und eine Treppenanlage an die geplante Radroute am Fischertalweg angebunden werden, der parallel zur Sprockhöveler Straße verläuft.

Und folgt man der „Vision“, die auch von den Fachleuten des LWL-Industriemuseums Dortmund geteilt wird, muss Witten sein Licht dann keineswegs unter den Scheffel stellen: Dem ersten „Industriearchäologischen Park“, der St. Antony Hütte in Oberhausen, der den Beginn der Roheisenerzeugung im Ruhrgebiet markiere, „würde mit der Steinhauser Hütte in Witten ein gleichwertiger Industriearchäologischer Park als Zeugnis eines der ersten im industriellen Maßstab arbeitenden Stahlwerke zur Seite gestellt“. Im Zusammenspiel mit weiteren Zeugnissen der Stahlindustrie wie der Henrichshütte Hattingen entstünde „eine herausragende Besucherattraktion im Verbund der Route der Industriekultur“.

Verzicht auf 7,5 % der Gewerbefläche

Eine wichtige Weichenstellung wird an diesem Donnerstag im Stadtentwicklungsausschuss erwartet, der ab 17 Uhr ausnahmsweise im Forschungs- und Entwicklungszententrum neben der Uni tagt. Die ursprüngliche Gesamtfläche für das neue Gewerbegebiet Drei Könige ist 40 000 m² groß. Für das „Archäologiefenster“ müssten knapp 3000 m² abgetreten werden – das entspricht 7,5 Prozent der bisherige Brache. Zu den Startkosten (Sicherung und Konzept) von 250 000 Euro käme erschwerend hinzu, dass die Stadt Witten auf geschätzte 200 000 Euro aus dem Verkauf des Grundstücks verzichten müsste.

>> Steinhauser Hütte & Puddelverfahren

Das Puddel- und Walzwerk des 1854/55 gegründeten Stahlwerks Steinhauser Hütte wurde mehrfach erweitert und ging bereits 1873 in Konkurs. Folgeindustrien und -bebauungen waren dort Werke für Feuerfest-Materialien, ein Drahtwalzwerk und eine Batteriefabrik.

Das handwerkliche Puddelverfahren holte Friedrich Harkort aus England nach Westfalen (Burg Wetter). Damit wurde das in den neuen Koks-Hochöfen im Ruhrgebiet erschmolzene Roheisen vom überflüssigen Kohlenstoff befreit und in schmiedbaren Stahl verwandelt.

Der interessanteste Teil des Werks befindet sich unterhalb des Bodenniveaus: gemauerte Gruben der Feuerungen und Puddelöfen, Rauchkanäle (z.T. in mehreren Etagen), Wasserrinnen sowie Fundamente für Schornstein, Kessel, Walzgerüste und Dampfmaschine.