Witten/Bochum. . Ein Mann ist am Hauptbahnhof Bochum u.a. wegen seiner dunklen Hautfarbe kontrolliert worden. Das war laut Oberverwaltungsgericht rechtswidrig.
Die Kontrolle eines Witteners unter anderem wegen seiner dunklen Hautfarbe im Bochumer Hauptbahnhof war rechtswidrig. Das hat das Oberverwaltungsgericht Münster am Dienstag (7.8.) entschieden und damit eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln gekippt.
Die Ausweiskontrolle des heute 43-jährigen Deutschen im November 2013 durch zwei Beamte der Bundespolizei war nach Auffassung des OVG ein Verstoß gegen das im Grundgesetz verankerte Diskriminierungsverbot. Der 5. Senat betonte in seiner mündlichen Urteilsbegründung, dass Polizeibeamte nur dann auch die Hautfarbe als Anknüpfungspunkt für eine Kontrolle auswählen dürfen, wenn es ausreichende Anhaltspunkte für Straftaten vorliegen.
Der Rechtsvertreter der Polizei konnte allerdings im Verfahren keine überzeugenden Kriminalitätsstatistiken für den Bahnhof Bochum vorlegen.
Polizei: Mann habe sich auffällig verhalten
Die Polizei hatte argumentiert, der Mann habe sich auffällig verhalten und das sei damals auch ein Grund für die Kontrolle gewesen. Er habe seine Kapuze ins Gesicht gezogen, sich hinter einem Fahrstuhlschacht verborgen und immer wieder die Beamten beobachtend hervorgelugt.
Oberverwaltungsgericht lässt keine Revision zu
Das Oberverwaltungsgericht Münster ließ keine Revision zum Bundesverwaltungsgericht zu. Gegen diese Entscheidung kann die unterlegene Seite Beschwerde einlegen. In erster Instanz hatte das Verwaltungsgericht Köln der Polizei Recht gegeben, dass ihre Ausweiskontrolle im Bochumer Hbf zulässig gewesen sei. Dieses Urteil hob das OVG Münster nun auf.
Der Vorwurf, die Polizei behandele Angehörige einer Minderheit ungleich, sei so alt wie die Polizei selbst, so Rafael Behr, Professor an der Akademie der Polizei Hamburg. In der Ausbildung müsse ein entsprechendes Einfühlungsvermögen stärker geschult werden.
Gleich mehrere Befürchtungen seien dann zum Tragen gekommen: Zum einen müsse man an Bahnhöfen Taschendiebe und Dealer befürchten – darunter seien besonders häufig nordafrikanische Tätergruppen. Zum anderen sei Bochum Treffpunkt für Islamisten und Salafisten, die den Bahnhof als Reiseweg nutzten. Die Kleidung und der längere Kinnbart des Klägers hätten daher eben mit ins Gesamtbild gepasst.
Kläger empfindet Vorgehen als Eingriff in seine Persönlichkeitsrechte
Das alles empfindet der Kläger als Eingriff in seine Persönlichkeitsrechte. Die Kontrolle – von anderen beobachtbar – versehe ihn mit dem Makel des scheinbar gefährlichen Störers. Er fürchte, dass so etwas wieder und wieder vorkomme, so der erfolgreiche Kläger.
Er ist in Witten geboren und aufgewachsen, spricht mit Ruhrpott-Einschlag – und fühlt sich doch als Opfer rassistischer Polizeiarbeit. Er ist überzeugt, dass es sein Äußeres ist, das ihn so verdächtig erscheinen lässt, dass er immer wieder ins Visier von Polizeikontrollen gerate: Er hat nigerianische Vorfahren und eine dunkle Hautfarbe.
Aus seiner Sicht steckt dahinter sogenanntes „Racial Profiling“ – jene gegen das Gleichbehandlungsgebot verstoßende Polizeipraxis, bei der äußerliche Merkmale wie Hautfarbe polizeiliches Handeln steuern.
Das passierte im November 2013
Konkret ging es um einen Novemberabend im Jahr 2013: Der Kläger wartet am Bochumer Bahnhof auf seine Freundin, als die Beamten ihn auffordern, sich auszuweisen. Er weigert sich, streitet mit den Polizisten, später auch auf der Wache, weil er sich dort deren Dienstausweise zeigen lassen will.
So zumindest erzählt Vera Egenberger die Geschichte des Mannes, den sie als Geschäftsführerin des Vereins „Büro zur Umsetzung von Gleichbehandlung“ (BUG) betreut. Um ihn zu schützen, will sie nicht, dass sein Name genannt wird. Das BUG leistet Betroffenen von Diskriminierung rechtlichen Beistand.
Es fehle an statistischen Belegen, sagt Egenberger. „Aber aus langjähriger Erfahrung mit Betroffenen wissen wir, dass Menschen, die durch ihr Äußeres als Nicht-Deutsche kategorisiert werden, überproportional häufig verdachtsunabhängig kontrolliert werden.“
Wittener darf sich in Auffassung bestätigt sehen
„Polizeiarbeit geht nicht ohne Raster“, sagt Rafael Behr, Professor für Polizeiwissenschaften an der Akademie der Polizei Hamburg. Aus erlernten Alltagserfahrungen würden Strategien der Verdachtschöpfung. „Ursprung dessen ist aber nicht ein kollektiver Rassismus in der Polizei, sondern es sind lang erlernte Alltagserfahrungen, die Polizisten bei ihrer Arbeit gemacht haben“, sagt Behr.
Der Wittener aber darf sich in seiner Auffassung bestätigt sehen, wegen seiner Hautfarbe von der Polizei kontrolliert worden zu sein. (dpa)