Witten. . Wir suchen den Leser mit den meisten Stempeln im Pass – und spannenden Reise-Geschichten. Die Redaktion macht den Auftakt mit ihren Anekdoten.
Es sind nur Stempel – auf Papier gedrückte Tinte, teils nicht sehr leserlich, da verschwommen oder schon verblast. Aber sie stecken voller Erinnerungen: an Reisen, an Erlebnisse, an Begegnungen. Reisepässe sind daher für viele mehr als ein bloßes Dokument, sie erzählen Geschichten.
Wir suchen deshalb jetzt den Wittener mit den meisten Stempeln im Reisepass. Zum Auftakt lässt sich die Wittener Lokalredaktion in ihre Pässe blicken – und hat Anekdoten aus ihren Reisetagebüchern im Gepäck. Redakteurin Stephanie Heske legt mit beachtlichen 56 Stempeln vor. Wer bietet mehr?
Die Regeln: Es dürfen die Stempel aller verfügbaren Reisepässe zusammengezählt werden, also auch von längst abgelaufenen Pässen. Jedes Land darf mehrmals gezählt werden, je nachdem wie viel Stempel von dort vorhanden sind. Es zählen alle sichtbaren Stempel – also Sichtvermerk für Ein- und Ausreise genauso wie Stempel auf (aufgeklebten) Visa. Noch mehr als nackte Zahlen interessieren uns aber die Geschichten hinter den Stempeln. Schicken Sie gerne Bilder in hoher Auflösung mit an: redaktion.witten@waz.de. Oder kommen Sie vorbei in der Redaktion, Bahnhofstraße 33.
Ein Stempel voll mit Südamerika
„’Mi Buenos Aires querido’, mein geliebtes Buenos Aires, singt Carlos Gardel in einem seiner bekanntesten Tango-Lieder. Und noch heute läuft mir ein Schauer über den Rücken, wenn ich diese Klänge höre. Eineinhalb Jahre habe ich in dieser chaotischen, lauten Metropole verbracht, die man entweder liebt oder hasst. Ich liebe sie – und die Stadt ist mit Schuld daran, dass 56 Stempel in meinem Reisepass zu finden sind. Nach meinem Bachelor zog es mich in die Ferne. Zwischen drei Monaten und einem Jahr wollte ich in Südamerika verbringen. Ich reiste durch Chile und Argentinien, Bolivien, Peru, Brasilien, Uruguay und Paraguay. Doch immer wieder kam ich nach Buenos Aires zurück, wo ich schließlich auch lebte und arbeitete. Ein dauerhaftes Visum zu bekommen war fast unmöglich. Also machte ich es wie so viele: Nach einem Ausflug ins benachbarte Uruguay zierte wieder ein neuer Stempel meinen Pass.“ Stephanie Heske
Ein guter Grund, ganz in England zu bleiben
„Brasilien, 1992, war meine weiteste Reise. Mit einem Freund besuchte ich ein Amazonas-Dorf. Er kannte dort einen Kollegen, Priester wie er. Stundenlang flogen wir im Kleinflugzeug über dem Urwald. In einem Kinderdorf bei Rio zogen uns die kleinen Jungs beim Fußball das Fell über die Ohren. Einen halben Tag half ich bei sengender Hitze bei der Kaffeeernte im Hang. Das reichte. Meinen Robusta trinke ich seither mit Respekt. Der Pass ist weg. Aber die Stempel vom „Immigration Officer“ im Kinderausweis von fünf Englandfahrten um 1974 gibt’s noch. Einwandern sollte ich gar nicht, nur Englisch lernen. Ich wäre gern geblieben. Mein Gastvater stellte mir einen Mini aufs Feld. „Vom Schrott“, aber er fuhr noch. Der 14-Jährige hatte seinen Spaß. Deshalb fahre ich heute vernünftig. Ich bin schon ausgespielt.“ Johannes Kopps
Nach der Einreise begann die Staatstrauer
„Den ersten meiner acht Stempel hätte ich mir tätowieren lassen sollen – so nachhaltig war die erste Reise-Erfahrung außerhalb Europas. Als ich 2012 für ein Redaktionspraktikum nach Ghana kam, erlebte ich das Land in einer historischen Trauer. Der damalige Präsident John Atta Mills war verstorben. Jedes Unternehmen ließ eine Traueranzeige drucken, die Zeitung war 100 Seiten dick. Ich interviewte Leute, denen Mills im Traum begegnet war oder die eine „Gott gesandte“ Taube auf seiner Beerdigung gesehen hatten. Jeder trug wochenlang schwarzrot, die dortigen Trauerfarben. Ich auch. Zwar fand ich alles etwas sonderbar, aber trauerte mit – und wuchs mit den Ghanaern zusammen. Heute habe ich Kinder mit ghanaischem Stammbaum. Und bin Afrika treu geblieben: Neben Ghana habe ich nur Kenia und den Senegal bereist.“ Gordon Wüllner
Im russischen Karelien gabes ein Klebe-Visum
„Ich war viel in Europa und auch immer wieder gerne in Deutschland unterwegs. Ziele, für die man keinen Reisepass benötigt. Zum ersten Mal habe ich ihn im Oktober 2002 vorgelegt. Da ging es – für die Zeitung – über Finnland in die Republik Karelien, die zur Russischen Föderation gehört. Das große Thema: Wald, den es dort reichlich gibt. Die Russen haben meinem Pass keinen Stempel verpasst, sondern eine Einreisekarte und einen Klebezettel – mein Kurzvisum. Es war minus 30 Grad kalt. Herrlich! Viel schöner als die derzeitige Hitze. Einen Stempel habe ich von den Kanadiern nach einem Flug nach Vancouver bekommen. Eine Dienstreise nach British Columbia, wo ich mir die beeindruckenden und bedrohten Urwälder an der dortigen Pazifikküste ansehen durfte. Eine Reise, die ich privat noch einmal wiederholen werde.“ Jutta Bublies
Stempelkunst aus Afrika
„Ich besitze zwei Reisepässe. Einer ist komplett leer und wurde zu meinem 18. Geburtstag erstellt. Der andere bis 2006. Seitdem habe ich mir keinen Pass mehr machen lassen. Mit den Kindern geht es nur noch ins europäische Ausland. Aber der 2001er-Pass weckt Sehnsüchte: Grenzübergang Swiecko, das muss die Polenreise mit der Uni gewesen sein. Zweimal Badeurlaub Türkei. Dann die Karibik: „Saba — Unspoiled Queen“, „Anguilla West Indies“, „St. Maarten The friendly Island“, alles schön gestaltete Stempel. Die beeindruckendsten Stempel stammen aber aus Afrika. In Burkina Faso wurden ganze Seiten vollgestempelt. Ich habe noch Mali und Tansania. Irgendein witziger Zöllner hat mir übrigens „Frankfurt/Oder Hauptbahnhof“ reingedruckt, ein Kinderstempel mit Lokomotive. Falls der mitzählt, habe ich 23 Stempel.“ Susanne Schild