Witten. . Die vorletzte Hauptschule Wittens stellt den Betrieb ein. Die Klasse 9 wechselt zur Freiligrathschule. Auch dort gehen die Anmeldungen zurück.

Die Overbergschule überreicht ihren letzten 50 Zehntklässlern am 29. Juni die Abschlusszeugnisse. Zwei Wochen später ertönt am 13. Juli am Rhienscher Berg zum allerletzten Mal der Schulgong.

Für die 80 Schülerinnen und Schüler der drei neunten Klassen geht es nach den Sommerferien in den zehnten Klassen an der Freiligrathschule weiter. Für die Overbergschule selbst heißt es am 13. Juli aber: Schule aus! Wittens vorletzte Hauptschule macht die Schotten dicht – ausgerechnet in dem Jahr, in dem sie ihr 60-Jähriges hätte feiern können.

Leiterin: „Nicht mehr zu ändern“

„Klar ist man traurig, dass jetzt Schluss ist“, sagt die kommissarische Schulleiterin Vuslat Thies. „Aber die Stimmung ist eigentlich noch ganz gut.“ Die Schüler könnten ihre Schullaufbahn immerhin gemeinsam an der Freiligrathschule beenden. Thies: „Das Ende ist ja schon lange beschlossen. Ändern kann man daran nichts mehr.“

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Jahrzehntelang hatte es in Witten drei Hauptschulen gegeben. Mitte 2010 strich die Kronenschule an der Sprockhöveler Straße endgültig die Segel. Ihr letzter Jahrgang wechselte damals an die Overbergschule. Deren Ausbluten wurde durch sinkende Anmeldungen aber nur verzögert. Im Sommer 2014 und 2015 reichten diese schon nicht mehr für eine einzige Eingangsklasse – und zwei müssten es eigentlich sein. Deshalb wurde das Ende auch schon 2015 besiegelt – ohne neue Zugangsklassen lief die Schule seitdem aus.

Freiligrathschule: Anmeldungen auch rückläufig

Die Freiligrathschule wird damit ab dem Schuljahr 2018/2019 Wittens einzige Hauptschule sein. Auch ihre Aufgabe hatte der Rat im Übrigen schon einmal beschlossen – zum Schuljahr 2022/23. Doch: Die Bezirksregierung hatte die Stadt gebeten, damit bis zur Eröffnung der geplanten dritten Gesamtschule zu warten.

Aufhorchen lässt: Mit nur 24 Anmeldungen in diesem Sommer bleibt Freiligrath mit einer Eingangsklasse unter ihrer Regel-Zügigkeit von zwei Klassen. Passiert das zwei Jahre hintereinander, wird die Schulaufsicht automatisch tätig und prüft die Existenzberechtigung der Schule. Bleibt die schulpolitische Frage, welche weiterführende Schule künftig die richtige für Kinder ist, die heute auf der Hauptschule gut aufgehoben sind.

Leiterin: „Familiäres“ Lernen an kleinen Schulen

„Als überzeugte Hauptschullehrerin finde ich es sehr schade, dass die Hauptschulen schließen. Für manche Kinder ist das kleine System günstiger, um dort zu lernen“, sagt die Leiterin der Overbergschule. „Meines Erachtens kann man Hauptschüler nicht problemlos auf eine Gesamtschule schicken.“ Diese biete zwar ebenfalls hohen Praxisbezug und Berufsorientierung. „Der Vorteil der Hauptschule ist aber ihre Größe. Eine Gesamtschule mit einem Hauptschulzweig und insgesamt über 1000 Schülern kann nie so familiär sein wie eine Hauptschule mit 300 Schülern, an der man noch jeden kennt oder wenigsten noch den Namen des anderen weiß.“

Schule wurde vor 60 Jahren gegründet

Zum Aus der Overbergschule wird es keinen offiziellen Akt mit geladenen Gästen geben. Im Rahmen der Zeugnisvergabe an die Zehntklässler am 29. Juni nimmt das Lehrerkollegium intern voneinander Abschied. Dann läuft der Schulbetrieb mit den neunten Klassen noch bis zum 16. Juli endgültig aus.

Das Ende der vorletzten Hauptschule fällt 2018 in ein Jahr, in dem sie große Jubiläen hätte feiern können: 1958, vor 60 Jahren, wurde sie eingeweiht, damals noch als katholische Volksschule. 1968, vor 50 Jahren, wurde sie in eine Gemeinschaftshauptschule umgewandelt. Die zweizügig angelegte Schule platzte schnell aus allen Nähten. Sie bekam 1980 einen Erweiterungstrakt und nahm 1990 den Ganztagsbetrieb auf. Gebaut wurde am Rhienscher Berg immer wieder.

Wegen eines schweren Baumangels aus dem Errichtungsjahr 1958 – dem Einbau der berüchtigten Perfecta-Decken, die auch bei Otto Schott, am Crengeldanz und in Buchholz teuer zu Buche schlugen – mussten die Schüler ab 2002 zwei Jahre lang mit Stützpfosten in den Klassen leben und viele 2004 für ein Jahr in Container umziehen. Ein Jahr wurde saniert. Gleichzeitig erneuerte man die Fachräume, ein neuer Computerraum kam hinzu und die Schulküche für den hauswirtschaftlichen Unterricht wurde neu eingerichtet.

Aktuell noch 134 Schüler – es waren mal 340

In früheren Jahren hatte die Overbergschule um die 340 Schülerinnen und Schüler. Seit 2014 gab es keine Eingangsklassen mehr. Aktuell besuchen noch 134 Jugendliche die Klassen neun und zehn. Davon bekommen 15 Schülerinnen und Schüler Unterricht in „DaZ“ „Deutsch als Zielsprache“. Diese speziellen Stunden werden durch eine pensionierte Lehrerin und eine Studentin ehrenamtlich unterstützt. Zum „starken Team der Overbergschule“ gehörten laut der Schul-Homepage zuletzt 14 Lehrerinnen und Lehrer, eine Schulsozialarbeiterin, zwei Schulsozialassistenten, eine Lehrerin für gemeinsames Lehren, zwei Berufseinstiegsbegleiterinnen, die Schulsekretärin, der Hausmeister, die Verantwortliche für die Mittagsverpflegung, die beiden Mütter, die die Cafeteria schmissen, sowie zahlreiche weitere gute Geister.

Auf dem Schulhof wächst ein Feigenbaum für Ahmad

Die Schulgemeinschaft rückte im April durch ein tragisches Ereignis noch näher zusammen. Der 18-jährige syrische Mitschüler Ahmad wurde in Annen durch einen Stich in den Hals auf offener Straße tödlich verletzt. Die Anteilnahme seiner Mitschülerinnen und -schüler war groß. Sie richteten einen Gedenkraum ein, schrieben Abschiedsgrüße an eine Tafel, gestalteten eine schulinterne Trauerfeier mit, ließen für ihren toten Schulkameraden Luftballons aufsteigen und gingen in großer Zahl mit auf den Hauptfriedhof. Zum Andenken an Ahmad wurde auf dem Schulhof außerdem ein kleiner Feigenbaum gepflanzt.