EN-Kreis. . Die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege müssen Patienten ablehnen, weil das Personal fehlt. Sie fordern von der Politik ein schnelles Handeln.

„Der Pflegenotstand droht nicht, er ist faktisch im Ennepe-Ruhr-Kreis angekommen“, betont Jochen Winter, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege im Kreis. Pflegebedürftige müssten bereits jetzt abgelehnt werden.

Besonders betroffen vom Fachkräftemangel sei derzeit die ambulante Pflege – sowohl der Wohlfahrtspflege wie auch privater Anbieter. „Bei der Paritätischen müssen zehn Patienten pro Woche abgelehnt werden“, berichtet Winter vom EN-Pflegegipfel, zu dem die Arbeitsgemeinschaft die Bundes- und Landtagsabgeordneten eingeladen hatte.

Unversorgte Patienten verstopfen die Kurzzeitpflege

„Unversorgte Patienten verstopfen mittlerweile die Kurzzeitpflegeplätze in der stationären Seniorenhilfe.“ Man habe eine Kapazitätsgrenze erreicht, sei untereinander längst keine Konkurrenz mehr. Winter weiß, dass es oft mehrere Ausschreibungen brauche, um freie Stellen neu besetzen zu können. „Es ist fünf nach zwölf“, weiß der Geschäftsführer der Awo EN.

Jochen Winter ist Geschäftsführer der Awo im Ennepe-Ruhr-Kreis und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege im Kreis.
Jochen Winter ist Geschäftsführer der Awo im Ennepe-Ruhr-Kreis und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege im Kreis. © Bernd Henkel

Er sieht grundsätzlichen Handlungsbedarf. „Wir brauchen eine schnelle Entlastung und mittelfristig ein neues System“, sagt Winter. Auf Dauer könnten die Kosten nicht über eine solidarisch finanzierte Pflegeversicherung getragen werden. „Der Bund muss hier Mittel in die Hand nehmen“, fordert der Vorsitzende der Freien Wohlfahrtspflege im Kreis. Eine schnelle Entlastung könne vor allem ein Bürokratie-Abbau sein. Ein Drittel bis die Hälfte der Arbeitszeit seien Pflegekräfte mit der Dokumentation ihrer Tätigkeit beschäftigt.

Hohe sprachlichen Anforderungen an Pfleger

Dabei seien auch die sprachlichen Anforderungen sehr hoch, weiß Winter. So genüge zum Beispiel nicht der Vermerk „Stützstrümpfe angezogen“. Gefordert sei: „Stützstrümpfe faltenfrei“. Entsprechend skeptisch ist Winter, was die Unterstützung durch zum Beispiel osteuropäische Frauen in der Pflege angeht. Auch die Kommunikation mit den Patienten müsse gewährleistet sein.

Die beim Pflegegipfel anwesenden Vertreter der Politik nahmen den Hilferuf der Verbände mit. Davon, dass die im Koalitionsvertrag versprochen 8000 neuen Stellen gegen den Pflegenotstand nicht ausreichen werden, geht nicht nur Winter, sondern auch die SPD-Bundestagsabgeordneten Ralf Kapschack und René Röspel aus. Sie, wie auch Landtagsabgeordneter Bodo Middeldorf (FDP) erklären, sich für eine Steigerung der Attraktivität des Pflegeberufes einsetzen zu wollen – unter anderem durch bessere Arbeitsbedingungen, Löhne und Aufstiegschancen. Verena Schäffer, für die Grünen im Landtag, will dafür bereits bei der Ausbildung finanziell ansetzen.