Witten. Naturschützer sorgen sich: Allein in Witten leben 50 Nutrias am Ruhrufer. Der Naturschutzbehörde sind Probleme mit den Nagern nicht bekannt.
Nutrias sehen putzig aus. Man muss nicht lange warten, um am Ruhr-Ufer die biberähnliche Ratte zu sehen, denn rund 50 der großen Nagetiere leben allein auf Wittener Gebiet. „Einer unserer Camper hat letztens sogar eine Nutria gefüttert, so zahm war die“, sagt Edeltraut Steger vom Campingplatz. Gewässerwart Martin Maschka schlägt Alarm: „Die Nutrias haben sich dermaßen stark ausgebreitet, dass man sie bekämpfen müsste. Witten hat eine der größten Populationen an der Ruhr.“ Bei den Kreisbehörden ist darüber nichts bekannt.
„Die Tiere zeigen keinerlei Auffälligkeiten“, sagt Dirk Weisselberg vom Ennepe-Ruhr-Kreis für Naturschutzbehörde und Veterinäramt. Beide Ämter hätten allerdings keinen Überblick über die Anzahl der Tiere. Markus Maschka und Patrick Lang, die für den Wittener Sportfischerverein als Gewässerwarte die Ruhr zwischen Wetter und Kemnader See betreuen, können solche Aussagen kaum glauben: „Wir haben hier ein Massenaufkommen. In Witten haben wir über 50 Tiere gezählt, zumeist Paare.“ Der 33-jährige Martin Maschka, Gründer der Natur- und Wildnisschule Ruhrgebiet, habe allein am gestrigen Morgen rund um das Wasserwerk Stiepel 32 Nutrias am Ufer gezählt.
Tiere lassen sich von Campern füttern
Auch die Urlauber am Campingplatz Steger sehen die niedlichen Tiere häufig rund um die DLRG-Station schwimmen. „Vor drei Jahren haben wir sie das erste Mal entdeckt“, erinnert sich Edeltraut Steger. „Da dachte ich, das wäre eine Katze.“ Inzwischen sei manches Tier so zutraulich, dass es sich von den Campern mit Brötchen füttern lasse. Wie unbeeindruckt die Tiere von Menschen sind, konnte auch Heinfried Berke feststellen, der an der Lakebrücke einen entspannten Nager beim Sonnenbad fotografierte, „und der war locker so groß wie ein Stubentiger“. Er habe schon öfter Nutrias im Kemnader Stausee schwimmen sehen.
Bekannt sind die Biberratten dafür, Dämme und Stauwasserhaltungen mit Löchern zu unterhöhlen – ähnlich wie die echten Biber, die es an der Ruhr aber nicht gibt. „Das Graben ist in Witten nicht das Problem“, sagt Martin Maschka. „Es sind die Muscheln.“
Neben Wasserpflanzen – wie Algen – fressen die Nutrias Muscheln, deren Schale sie knacken, um an das eiweißhaltige Fleisch zu kommen. Eine Nutria fresse pro Monat zehn Kilo Flussmuscheln, schätzt Maschka. Die Muschelbestände seien aber für die heimische Tierwelt wichtig. Der Bitterling-Fisch etwa lege in den Muscheln Eier ab. „Mitunter finden Sie am Ruhrufer richtige Muschelhaufen. Dann kann man sicher sein, dass Nutrias in der Nähe ihre Höhle haben.“
An der Ruhr gäbe es mittlerweile zu viele nicht-heimische Arten, meint Maschka. Die Nager dürfen bejagt werden. Sollte man das in Witten tun? „Einerseits hat die Nutria den Rang eines Bibers eingenommen und hält unsere Gewässer sauber“, so Maschka. Andererseits sei das ökologische Gleichgewicht nicht mehr gegeben. „Ich bin zwar Umweltschützer. Aber ja, man muss sie bekämpfen.“
>> Nach der Wende in den Westen gekommen
Oft werden Bisamratte und Biberratte (Nutria) gleich gesetzt, dabei handelt es sich um zwei verschiedene Tiere. Der Bisam stammt ursprünglich aus Nord-, die Nutria aus Südamerika.
Beide Tiere fanden ihren Weg nach Europa, weil sie für die Pelzsucht gehalten wurden, Nutrias zum Beispiel in der DDR. Als nach der Wende die Nachfrage einbrach, wurden viele Tiere freigelassen.
Die Bisamratte ist kleiner und scheuer als die Nutria und weitaus seltener. Nutrias haben sich in den milden Wintern der letzten Jahre stark vermehren können. Sie werden bis zu 15 Kilo schwer. In Südamerika gelten sie gegrillt als Spezialität.