Witten. . Zwei Archäologie-Büros arbeiten parallel, um die Reste der Eisenhütten in Witten freizulegen. Sie haben schon etliche Fundamente ausgegraben.

Die Stadt drückt bei den Ausgrabungen auf dem Gelände Drei Könige aufs Tempo. Am Freitag (16.2.) hatte Gerald Klawe von der städtischen Stabsstelle „Umwelt“ zwei Fachbüros für Archäologie telefonisch den Auftrag für die Arbeiten erteilt. Am Montag (19.2.) legten die Teams der Archäologischen Baugrund-Sanierungs GmbH aus Köln sowie der Archäologie am Hellweg eG (Münster) los. Beide sind mit ein oder zwei leitenden Archäologen, einem Techniker und mehreren Helfern vor Ort.

„Die Büros arbeiten parallel, damit es schneller geht. Wir wollen möglichst keinen Stillstand haben bei Ecosoil“, erläutert Klawe. Ecosoil ist das Bochumer Tiefbauunternehmen, das die City-Brache nahe der Herbeder Straße seit Herbst mit schwerem Gerät durchpflügt, verdichtet und planiert hat, um dort später Gewerbe anzusiedeln. Durch die Wiederendeckung der Steinhauser Hütte und der Bessemer Hütte (beide ca. 1860 bis 1920) wurde dieser Plan über den Haufen geworfen. Klawe rechnet mit einer Verzögerung von rund sechs Monaten.

Erst dokumentieren, dann einreißen

Erst vor einer Woche waren der Chef der LWL-Archäologie aus Münster und der Leiter des Regionalbezirks Olpe vor Ort. Die Grabungsstätte steht jetzt zwar für sechs Monate unter vorläufigem Denkmalschutz. Trotzdem zeichnet sich die Stoßrichtung schon klar ab. Im Zuge einer „archäologischen Bestandsaufnahme“ werden die Reste der Eisenhüttenwerke Schritt für Schritt freigelegt, eingemessen, fotografiert und für die Nachwelt dokumentiert. Danach werden die Mauern und Hohlräume dann eingerissen und planiert und der komplette Bodenaushub dabei eingekoffert.

Ein Mitarbeiter des AH-Teams fegt Erde vom Mauerwerk. Foto: Uwe Möller / Funke Foto Services
Ein Mitarbeiter des AH-Teams fegt Erde vom Mauerwerk. Foto: Uwe Möller / Funke Foto Services

Gerald Klawe stellt klar, dass die Stadt bei der Beurteilung des historischen Fundes nicht etwa gegenüber privaten Bauherrn bevorzugt werde. „Das sieht zwar teilweise sehr schön aus und da sind auch fantastische Bögen dabei. Aber das kann nicht stehen bleiben, weil das zu baufällig ist und nichts mehr hält. In diese Hohlräume wird nie jemand hineingehen können.“ Nicht zuletzt könne man den Hohlräumen nicht mehr trauen, nachdem die Firma das Gelände mit tonnenschweren Spezialwalzen verdichtet habe, wobei sich zwei Tagesbrüche öffneten. „Was von der Architektur noch übrig ist, taugt nicht zum Freilichtmuseum.“

Goldgräberstimmung auf Drei Könige

Seit Montag (19.2.) sind die Archäologische Baugrund-Sanierung GmbH (ABS) aus Köln und die Archäologie am Hellweg (AH) aus Münster auf dem Gelände Drei Könige im Einsatz. Sie sind mit der „archäologischen Bestandsaufnahme“ der Steinhauser Hütten und der Bessemer Hütte betraut. Sie sollen dokumentieren, was davon übrig ist. Schicht für Schicht graben sie sich durch die Reste der Wittener Industriegeschichte.

Bei den großen Erdbewegungen helfen noch die Bagger der Tiefbaufirma Ecosoil mit ihren großen Schaufeln mit. Sie haben einen gewaltigen, fünf Meter hohen Berg mit Aushub aufgetürmt. Es ist ein Gemisch aus Backsteinen, Bruchsteinen, Ziegeln, Schlacke, schwarzem Sand und Geröll, das Bauleiter Klaus Hamann (59) teilweise an Bergematerial aus dem Kohlenbergbau erinnert. „Vielleicht wurde auch damals schon was zum Auffüllen angekarrt“, vermutet er.

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Ihr ganzes Geheimnis wird die Ausgrabungsstätte wohl erst in ein paar Monaten preisgeben. Es deutet aber einiges darauf hin, dass beim Abbruch der Eisenhütten vor vermutlich 100 Jahren halbe Sache gemacht wurde. „Viele Decken und Hohlräume wurden schon damals von oben eingebrochen, aber halt nicht überall, wie wir festgestellt haben.“

Drohnen machen Luftaufnahmen

Ein wenig liegt Goldgräberstimmung über dem Ausgrabungsgelände. Die Teams gehen frohgemut zur Sache. Den Auftrag in Witten haben sie spontan bekommen – und angenommen. Für die feineren Arbeiten setzen sie auf Hacke, Schaufel, Besen und Handfeger. Manches davon ist frisch aus dem Bauhandel. Für Gröberes steht der Minibagger bereit. „Wir sind noch ganz am Anfang“, erklärt ABS-Archäologe Ingmar Luther (37). „Wir legen die Strukturen frei, dann messen wir die Funde ein, fotografieren und beschreiben sie.“ Ab Dienstag werden beide Teams Drohnen einsetzen, die die Fundstellen aus der Luft fotografieren. „Nachher können wir dann ein 2D-Modell anfertigen.“

„Wir graben entlang der Mauern und suchen die Mauerenden“, erläutert Kollegin Sarah Gonschorek von AH die Vorgehensweise. „Durch den Schutt hindurchgucken können auch wir nicht.“ Dabei zeichnet sich ab, dass die alten Pläne immer noch stimmen. Die Hütten waren bis zum I. Weltkrieg in städtischen Plänen eingezeichnet. Danach hat ein Vermesser das Gelände jetzt abgesteckt. „Das dicke Außenband aus Naturstein passt hundertprozentig mit der Absteckung, die wir dort hatten“, sagt Bauleiter Hamann. Sie ist gut einen Meter dick und zieht sich 30 Meter übers Gelände. Vielleicht sind die Abbrucharbeiter vor 100 Jahren einfach daran gescheitert, sie zu schleifen. „Das ist Wahnsinn“, entfährt es Hamann.

Die „Strukturen“, die sein Team am ersten Tag freigelegt hat, identifiziert Ingmar Luther als Punktfundamente: Es sind gemauerte Podeste – und davon viele im geringen Abstand. Auf diesen könnte „etwas Schweres wie eine Wanne, ein Kessel oder ein Schmelzofen gestanden haben“. Aber der junge Archäologe legt sich noch nicht fest. Dafür hat er auch mit seinen 37 Lenzen schon zu lange in der Erde gebuddelt.

>>> INFO: Zwei große Eisenhütten

Die Eisenhütten stellten im I. Weltkrieg (1914-1918) oder kurz danach den Betrieb ein. Freigelegt wird zuerst die Steinhauser Hütte, die näher an der Bahnstrecke liegt.


  • Unter dem großen Berg mit Bodenaushub liegt ihre zweite Hälfte. Die Bessemer Hütte ist später dran.