Witten. . Drei Könige wird zur riesigen Ausgrabungsstätte. Die Eisenhütten stehen vorläufig für sechs Monate unter Denkmalschutz. Danach droht der Abriss.
„Jetzt hat Witten sein Pompeji!“ Ehrfurchtsvoll entfährt unserem Fotografen Jürgen Theobald dieser Ausruf, als er am Mittwoch (14.1.) zum ersten Mal die laufenden „Ausgrabungen“ auf dem Gelände Drei Könige sieht. Mit der antiken Stadt am Golf von Neapel, die beim Ausbruch des Vesuvs im Jahre 79 verschüttet und auch weitgehend konserviert wurde, können die Funde sich sicherlich nicht messen lassen. Für die jüngere Wittener Geschichte aber sind sie spektakulär.
Bei sogenannten Verdichtungsarbeiten für das geplante Gewerbegebiet nahe der Herbeder Straße waren durch Tagsesbrüche Reste von zwei Eisenhüttenwerken zum Vorschein gekommen. Während die kleine Fundstelle der Bessemer Hütte noch eingezäunt ist, haben die Bagger einer Tiefbaufirma inzwischen schon einen beträchtlichen Teil der näher am Bahndamm gelegenen Steinhauser Hütte ausgegraben.
Auf dem fast fußballfeldgroßen Areal, das wie ein großer Ring um den fünf Meter hohen Berg mit dem Erdaushub liegt, sieht man in drei bis sechs Metern Tiefe Fundamente, Mauern, Bögen, Kanäle und auch größere Hohlräume, deren Betreten wegen Einsturzgefahr streng verboten ist.
Kanäle für Wasser und Luft
„Die Neuzeit-Archäologen vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) sind begeistert“, berichtet Gerald Klawe von der Stabsstelle Umwelt der Stadt vom gemeinsamen Ortstermin. Die Fachleute meinen Wege und Kanäle für die Belüftung und das Kühlwasser zu erkennen. An zwei Stellen könnten Fundamente für hohe Schornsteine liegen. Auch der Standort des Puddelofens scheint gefunden, nicht aber der Ofen selbst, in dem Roh- in Schmiedeeisen verwandelt wurde. Eine glatte Betonfläche erinnert an frisch gelegten Estrich. Auf einem Zipfel liegen noch ein paar Fliesen in Schwarz, Grau und Weiß. „Ich tippe, das war der Nassbereich.“ Das alles sind aber noch Vermutungen.
Die LWL-Experten für Archäologie aus Münster haben sich mit der Stadt (Untere Denkmalbehörde) darauf verständigt, dass die beiden Eisenhüttenwerke „vorläufig“ unter Denkmalschutz gestellt werden. Dieser Schutz-Status gilt lediglich für sechs Monate. Er soll vor allem gewährleisten, dass die beiden alten Eisenhütten in dieser Zeit intensiv wissenschaftlich untersucht werden können.
Danach stehen die Zeichen auf Abriss
„Wir werden die Pläne aus den Archiven mit den Funden vor Ort abgleichen und genau erforschen und dokumentieren, welche technischen Anlagen hier mal gestanden haben und wie bedeutend sie waren für die Industrialisierung in Witten, im Ruhrgebiet und in ganz Deutschland“, erläutert der Wittener Denkmalpfleger Florian Schrader.
Was danach passiert, sei noch nicht entschieden. Aber die Zeichen stehen weiterhin deutlich auf Abriss. „Das Landesamt für Archäologie ist auf jeden Fall bemüht, uns als Stadt und Bauherr keine Steine in den Weg zu legen.“
>> INFO: Ausgrabungen sind sehr aufwändig
Die Stadt muss als „Urheber“ der Baustelle ein Fachbüro beauftragen, die Reste der Hütten zu erforschen. Sie werden schrittweise freigelegt, wo nötig mit Mini-Bagger und/oder Schaufel. Eine Viertelmillion Tonnen Boden muss fürs Aus- und Eingraben bewegt werden.
Schätzung: Die Kosten sollen jetzt nicht mehr im niedrigen bis mittleren, sondern im höheren sechsstelligen Bereich liegen.
Die Aufbereitung des Geländes sollte im Februar beendet sein. Im Falle der Erlaubnis, die Hütten-Reste einzuebnen, soll sich dieser Termin jetzt auf Spätsommer verschieben.
Die Stadt geht davon aus, dass die Erschließungsstraße parallel zu den Ausgrabungen gebaut werden kann. Die Vermarktung des neuen Gewerbegebietes soll 2019 starten.