Witten. . Betriebe beklagen sinkende Bewerberzahlen. Manche kämen nicht zum vereinbarten Testgespräch. Dabei sei der Beruf mehr als Wurstplatten legen.

  • Betriebe beklagen sinkende Bewerberzahlen
  • Manche kämen gar nicht erst zum vereinbarten Testgespräch
  • Dabei sei der Beruf mehr als Wurstplatten legen

Wer brüht die Fleischwurst von morgen? Wer bietet künftig den Kunden leckeres Corned Beef an? Auch Wittener Metzgern brennen diese Fragen auf den Nägeln. Den Betrieben geht nämlich der Nachwuchs aus.

Die Annener Fleischerei Lassner beispielsweise hat in diesem Jahr keinen einzigen Auszubildenden. „Der letzte Azubi hat Anfang des Jahres seine Ausbildung bei uns abgeschlossen. Mit neuen Bewerbern sieht es bis jetzt recht mau aus“, sagt Mitarbeiterin Heike Bluhm.

Woran das liegen könnte, ist auch ihr ein Rätsel. „Vielleicht an den Arbeitszeiten oder weil viele junge Leute lieber studieren wollen“. Die Hoffnung auf neue Azubis wird jedoch nicht aufgegeben. „Herr Lassner arbeitet intensiv mit IHK und Arbeitsamt zusammen, um interessierten Menschen ein Praktikum zu ermöglichen, das dann vielleicht zu einer Ausbildung führt“.

Toller Beruf mit vielen Facetten

Auch Julica Marohn, Enkelin von Unternehmensgründer Paul Sommer und Geschäftsführerin von Sommer´s in Witten, beklagt starke Probleme bei der Azubi-Suche. Dabei ist der Bedarf an Nachwuchsfleischern enorm hoch. An den frühen Arbeitszeiten dürfte es aber eigentlich nicht liegen. „Denn wer früher aufsteht, der hat auch mehr vom Tag“, so Julica Marohn.

Fleischer-Urgestein Otto Schluck (67) bedeutet sein Geschäft an der Breite Straße alles. Er betreibt es in vierter Generation.
Fleischer-Urgestein Otto Schluck (67) bedeutet sein Geschäft an der Breite Straße alles. Er betreibt es in vierter Generation. © Jürgen Theobald

„Leider bewerben sich kaum noch junge Leute. Und wenn doch, dann erscheinen sie erst gar nicht zu den vereinbarten Vorstellungsgesprächen“, erzählt die junge Geschäftsführerin. „Die Einstellung zur Arbeit hat sich in der heutigen Generation stark verändert“.

Die Betrachtungsweise traditioneller handwerklicher Berufe habe einen enormen Wandel erfahren. „Dabei ist das eigentlich unendlich schade! Es ist so ein schöner, facettenreicher Beruf. Die Produktion macht Spaß, der Verkauf der frischen Produkte sowie die Liebe zum Produkt ist viel attraktiver als man eigentlich denkt.“

Der Beruf ist nicht mehr so eintönig wie früher

Für Thomas Schiemer, Inhaber der gleichnamigen Bommeraner Fleischerei, ist Nachwuchsmangel ein altbekanntes Problem. „Der Beruf ist nicht mehr bekannt genug. Kleinere Betriebe können nicht mehr machen, als kleine Annoncen zu schalten, um sich so um Azubis zu bemühen“.

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Zurecht kommt er trotzdem. Derzeit hat er eine Auszubildende im Verkauf in seiner Hauptfiliale in Haßlinghausen, mit der er sehr zufrieden ist. Toll findet er die Vielfalt seines Berufes. Der sei längst nicht mehr so eintönig wie früher. „Es sind in den letzten Jahren heiße Theken, Mittagstische und Caterings dazugekommen.

Eine einfache Wurstplatte legen? Das hat man vor 30 Jahren gemacht!“, so der Fleischermeister. Er blickt entspannt in die Zukunft: Denn seine Tochter studiert Foodmanagement und will den Betrieb später weiterführen.

Sohn will Laden nicht übernehmen

Dem 67-jährigen Fleischer-Urgestein Otto Schluck bedeutet sein Geschäft, das er in vierter Generation betreibt, alles. „Man fertigt etwas, setzt das Endprodukt und sieht, was man getan hat“. Dieses Erfolgserlebnis und die Kundennähe sind für ihn das schönste an seinem Beruf.

Der 67-Jährige bildet selbst nicht mehr aus, merkt aber auch, dass das Interesse an seinem Handwerk besonders von jungen Leuten nicht geteilt wird. Auch seinen Sohn konnte er nicht überzeugen, das Geschäft später einmal zu übernehmen.

Nur 36 Azubis beenden Ausbildung in halb NRW

Der für Witten zuständige Lehrlingswart Gerd Granel ist hautnah am Geschehen, wenn es um Auszubildende im Fleischereihandwerk geht. Er ist Betreuer und Ansprechpartner für die Auszubildenden im Fleischerhandwerk für die Stadt Bochum und den Ennepe-Ruhrkreis.

Auch er bemerkt den Abwärtstrend. „Der Rückgang an Auszubildenden in unserem Handwerk ist enorm. Die Azubizahl beträgt aktuell höchstens noch ein Drittel im Vergleich zu den letzten Jahrzehnten.“

In den gesamten Innungen Bochum, Ennepe-Ruhr-Kreis, Duisburg, Essen und Kleve bis hoch an den Niederrhein sind im Sommer nur 36 Auszubildende freigesprochen worden und haben ihre Ausbildung mit Erfolg abgeschlossen. "So viele Azubis gab es normalerweise in jeder Innung und nicht in halb Nordrhein-Westfalen“, erzählt der Lehrlingswart.

Aussterben von Handwerksberufen

Aber dieses Phänomen fällt ihm nicht nur im Fleischermetier auf. „Ob Handwerker, Tischler oder Florist – in vielen Handwerksberufen fehlen Auszubildende.“ Als Grund dafür sieht Gerd Granel die schon frühen schulischen Erwartungen von Eltern an ihre Kinder.

„Es wird Kindern heutzutage schon in die Wiege gelegt, das Abitur zu machen. Und wer möchte nach dem Abitur dann noch eine Ausbildung zum Fleischer machen?“ Dabei seien die Verdienstmöglichkeiten durch Tarifverträge gar nicht so schlecht, wie man sie sich vorstelle.

Einen weiteren Grund für das Desinteresse am Beruf des Fleischers sieht Granel in der fehlerhaften Präsentation. „Ich würde Metzger eher Fleischveredler nennen. Sie arbeiten überwiegend in der Zubereitungsküche, kochen und bereiten warme Speisen für heiße Theken und Caterings zu. Sie beziehen in der Regel ihr Fleisch von Schlachtbetrieben“. Das Klischee vom blutigen Schlachten junger Tiere entspräche also nicht der Realität und der Vorstellung vieler junger Leute.