Witten. . Zum Schutz gegen Schmierer hat ein Sprühkünstler am Karl-Marx-Platz eine Fassade gestaltet. Schön finden die einen, völlig daneben die anderen.
Ist das Kunst oder kann das weg? Am historischen Häuserblock des Karl-Marx-Platzes, den kürzlich Profi-Sprayer als Schutz gegen die stadtweiten Schmierereien mit bunten Motiven verziert haben, scheiden sich die Geister. Auch bei unseren Lesern führt die weithin sichtbare Neugestaltung der Fassade zu heftigen Diskussionen.
Zu der vom Wittener Graffiti-Sprayer Patrick Brehmer und seinen Kollegen aus Nachbarstädten ausgeführten, viele Meter langen Auftragsarbeit meint unser Leser Michael Röder: „Es fing an der Westfalenstraße beim Eisenwerk Böhmer an. Es ist so schön!“
"Graffiti passt nicht zum Gründerzeithaus"
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Dem hält Hendrik Glathe, der selbst im Hohenzollern- bzw. Breddeviertel wohnt, entgegen: „Graffitis mit Graffitis zu bekämpfen ist der falsche Ansatz. Das Gründerzeithaus geht jetzt komplett im Graffiti unter und das Ensemble mit dem Nachbarhaus ist nun auch vollkommen gestört.“ Im Rahmen der geplanten Neugestaltung des Karl-Marx-Platzes hätte er sich eine „etwas stilechtere Lösung“ gewünscht. „Patrick Brehmer macht gute Sachen, aber in diesem Zusammenhang ist das nicht gelungen“, meint Glathe.
Laura Hanses pflichtet ihm bei: „Ich finde das Graffiti nicht schlecht. Es passt aber nicht zum Stil des Hauses.“ Das knallbunte Fassadenmotiv zeigt eine S-Bahn mit Graffiti-Zeichen auf den Wagons. Die sind von Figuren im Janosch-Stil bevölkert, etwa Bär, Maus und Löwe. In eine comicartige Sprechblase hat Brehmer geschrieben: „Friede, Freude, Eierkuchen“.
In seinem Gesamtmotiv spiele er mit „ironischen Brechungen“, erklärt der gelernte Schilder-Lichtreklamen-Hersteller. „Denn Graffiti auf S-Bahnen sind ja eigentlich verboten.“ Und die Tierfiguren sollen darauf verweisen, „dass wir zeitlebens unsere kindliche Naivität behalten möchten.“
Künstler hat schon viele Wände in Witten gestaltet
Rund 80 Auftragsarbeiten hat Graffiti-Künstler Patrick Brehmer bisher gestaltet. Etwa hinter dem Saalbau oder den Goldemar bei der Brennerei Sonnenschein. Aber auch Puck, die Stubenfliege, am Kiosk des Bahnübergangs Pferdebachstraße oder Biene Majas Kumpel Flip mit einer Blume im Mund und dem Spruch „Leben, wo andere Urlaub machen“ an einer Hauswand nahe dem Uni-Kreisel.
Nicht zu vergessen die Mitarbeit an der bereits genannten, 125 Meter langen Wand der Eisenwerke Böhmer in der Annener Westfalenstraße beim Projekt „Witten wird bunt“.
„An sich finde ich die Idee ja gut. Und die bisherigen Projekte haben mir auch gefallen“, meint denn auch Leserin Nicole Stickel, fügt jedoch hinzu: „Aber als ich letzte Woche daher gefahren bin, hab ich mich doch etwas erschrocken. Weil ich finde, das passt da nicht hin. Also zu dieser Villa, diese Motive. Ich dachte auch an eine Kita und Ähnliches.“
Wittener glauben nicht, dass Kunstwerke illegale Sprayer abhalten
Wolf Zielke findet die bunten Motive an den altehrwürdigen Gründerzeithäusern „völlig daneben“. Er hat aber auch einen Alternativ-Vorschlag: „Ich hätte den unteren Bereich in einer anderen, elegant-dunklen Farbe neu streichen lassen.“ Und auch für das stadtweite Schmierer-Problem hat er eine Lösung: „Dazu Video, um diese Gangster zu packen.“
Denn nicht jeder Wittener Bürger ist davon überzeugt, dass sich Schmierer durch Graffiti-Kunstwerke von ihrer meist nächtlichen Fassaden-Verschandelung abhalten lassen. „Wurde denn wenigstens ein Anti-Graffiti-Schutz aufgetragen?“, möchte Leser Holger Stube wissen. Denn er meint: „Ohne diesen ist das Kunstwerk ja eigentlich überflüssig.“