Witten. . Profi-Sprayer haben in der City eine Fassade mit einer S-Bahn-Darstellung neu gestaltet. Hausbesitzer wollen so Schmierereien vermeiden.
- Profi-Sprayer haben am Karl-Marx-Platz meterlange Fassade mit S-Bahn-Darstellung neu gestaltet
- Hausbesitzer wollen sich damit gegen Dreck aus Dosen schützen
- Das Echo bei Anwohnern auf die Fassaden-Gestaltung ist geteilt
„Raster“, „Raw“ oder „Olle“ – mit diesen und ähnlichen Schmierereien sind in der City inzwischen ganze Straßenzüge verdreckt. Die Eigentümer der großen historischen Häuser auf der Ecke Nordstraße/Breite Straße haben sozusagen die Notbremse gezogen. So macht also jetzt eine riesige S-Bahn dort Halt – und zwar in Form eines friesartigen, bunten Graffiti, das sich meterlang an den Fassaden entlangzieht. Ausgeführt vom Wittener Sprüh-Profi Patrick Brehmer und seinen Kollegen aus Nachbarstädten.
„Eine Nachbarin hat mir vor längerer Zeit in einer E-Mail geschrieben, es gebe jemanden, der Interesse hätte, unsere Fassade zu verschönern. Er habe schon hier um die Ecke, also am Haus der Jugend, ein kunstvolles Graffiti gesprüht“, erzählt Britta Moll. Sie ist Eigentümerin des Hauses Breite Straße 34 und Verwalterin von Nummer 36, dessen Besitzer in Koblenz lebt. „Der wollte auch schon die Fassade seines Hauses in Wien mit Streetart verschönern“, weiß die 58-Jährige.
Eine Zeitlang sei die E-Mail in Vergessenheit geraten. „Doch dann hat Graffiti-Künstler Patrick Brehmer selbst hier angerufen. Und wir fanden seine Idee mit der roten S-Bahn und den Schriftzügen darauf richtig gut“, erzählt sie. Die Janosch-Figuren, darunter Bär, Maus und Löwe, seien so im Detail nicht abgesprochen worden, „doch wir wollten den Ausführenden ja die künstlerische Freiheit lassen“, meint Britta Moll, die aus einer Ur-Wittener Familie stammt
Sie selbst hätte sich mehr Schriftzüge wie „Frieden“ oder „Freiheit“ gewünscht. Immerhin haben Brehmer und seine Mitstreiter „Friede, Freude, Eierkuchen“ in eine Sprechblase am Hauseingang gesprüht. An anderer Stelle zeigt eine postbotenartige Janosch-Figur auf das Wort „Hohenzollernviertel“. Was als Hinweis auf den Standort der neugestalteten Häuser zu verstehen ist.
Die ebenfalls gesprühten Tags, also die Signaturen der ausführenden Künstler, sollen verhindern, dass Schmierer sich erneut ans Werk machen. „Denn wenn einer sein Tag dahin setzt, sprühen andere nicht drauf“, weiß die Hausbesitzerin. Auch die Mieter seien von dem Motiv angetan. Aber es gebe auch Leute, die das für eine Verschandelung der Fassade hielten. „Ich bin auch schon darauf angesprochen worden, ob hier eine Kindertagesstätte reinkomme. Wohl wegen der Janoschfiguren“, meint Britta Moll.
Bevor sie der neuen Wandgestaltung zugestimmt hätten, hätte ihr Mann versucht, all die Schmierereien zu entfernen. „Er hat sich in einer Wochenendaktion daran gemacht. Aber in der letzten Zeit kamen ja immer neue hinzu.“
Fünf Tage mit Vorbereitung haben Brehmer und seine Kollegen für die Neugestaltung der Fassaden gebraucht: „Wir haben sie zuerst gekärchert, grundiert, dann die Flächen vorgezeichnet“, erzählt der 31-Jährige, der eine Ausbildung zum Schilder-Lichtreklamen-Hersteller bei der Werbefirma Gralki im Salinger Feld absolvierte. Mit ihm waren vier professionelle Graffiti-Künstler an dem Projekt beteiligt. Die 23- bis 34-Jährigen kamen aus Holland, Portugal und der Nachbarstadt Dortmund.
„Ich hab’ mir nur eben einen Döner geholt, da waren statt fünf acht Figuren auf dem Bild. Sprayer sind eben nicht zu bremsen“, meint der Wittener. Der Tagessatz eines guten Graffiti-Künstlers liege von 300 Euro an aufwärts. Die wurden aber beim aktuellen Projekt am Karl-Marx-Platz nicht fällig: „Ich habe zur Auftraggeberin gesagt: ,Wenn wir machen können, was wir wollen, reichen uns Farben und ein kleiner Obulus.’“
Etwa 80 Auftragsarbeiten hat Patrick Brehmer bisher gestaltet. Etwa hinter dem Saalbau oder den Goldemar bei der Brennerei Sonnenschein. Aber auch Puck, die Stubenfliege, am Kiosk des Bahnübergangs Pferdebachstraße oder Biene Majas Kumpel Flip mit einer Blume im Mund und dem Spruch „Leben, wo andere Urlaub machen“ an einer Hauswand nahe dem Uni-Kreisel. Nicht zu vergessen die Mitarbeit an der 125 Meter langen Wand der Eisenwerke Böhmer beim Projekt „Witten wird bunt.“
Und neue Aufgaben warten, so Brehmer: „Durch den Auftrag hier ist ein Hausbesitzer zu uns gekommen. Er möchte drei Häuser in der Innenstadt gestaltet bekommen.“