Witten. . Ohne Technik von Faiveley könnten Regionalbahnen und Intercitys nicht exakt stoppen. Der neue Rhein-Ruhr-Express setzt auch auf die Rüdinghauser.

  • Ohne Technik von Faiveley könnten weder Regionalbahnen noch Intercitys punktgenau stoppen.
  • Der Neuer Rhein-Ruhr-Express RRX setzt ebenfalls auf die Rüdinghauser.
  • Das Unternehmen aus der Brauckstraße liefert auch Kupplungen weltweit

Wenn 2018 der elegante neue Rhein-Ruhr-Express (kurz RRX) durch die Region rauscht, dann sorgen Bremsen aus Witten dafür, dass er jeweils punktgenau zum Stehen kommt. Die konstruiert und baut die Firma Faiveley auf dem ehemaligen Siemensgelände in Rüdinghausen. Das weltweit tätige Unternehmen bestückt Personenzüge mit verschiedenen Komponenten – von Türen bis zu Klimaanlagen. Der Wittener Standort ist auf Bremsen und Kupplungen spezialisiert.

Im Jahr 2008 ist Faiveley von Remscheid nach Witten gezogen. Seit 2016 gehört das Unternehmen, das in Deutschland zwei weitere Standorte in Leipzig und in Elze bei Hannover hat, zum US-Konzern Wabtec in Pennsylvania. Geschäftlich kommt man sich nicht in die Quere: Denn während Wabtec Bauteile für den Güterverkehr austüfelt und fertigt, geht es bei Faiveley um den Personenverkehr.

Zwei deutsche Großaufträge

Auch die Wittener liefern ihre Produkte in die ganze Welt, etwa nach Italien, Frankreich oder in den Wachstumsmarkt Asien. „In China wird jeden Tag ein Zug gebaut“, weist Burkhard Kurek, Faiveley-Technikleiter im Bereich Bremse, auf die rasante Entwicklung dort hin. Apropos rasant: Für den Hochgeschwindigkeitszug ETR 1000, der für knapp 400 Stundenkilometer ausgelegt ist und tatsächlich mit 360 Sachen durch Italien braust, haben die Wittener Bremsen gebaut. „Sie sind hier getestet und 2013 von den Italienern in Witten abgenommen worden“, betont Kurek. 320 Mitarbeiter beschäftigt die Firma hier.

Da ist ein ruhiges Händchen gefragt: Taskin Uzun bei der Endmontage einer Kupplung, die später zwischen Waggons eingebaut wird.
Da ist ein ruhiges Händchen gefragt: Taskin Uzun bei der Endmontage einer Kupplung, die später zwischen Waggons eingebaut wird. © Thomas Nitsche

Beim Gang durch die Büros sieht man, wie Ingenieure an dreidimensionalen Computersimulationen testen, wie Erhitzung und tonnenschwere Belastung auf neue Bremssysteme wirken. Im Labor werden dann die realen Bauteile auf ihre Belastbarkeit geprüft. Etwa, indem mehrstündige Zugfahrten mit dem entstehenden Druck durch Streckensteigungen oder Gefälle und das Abbremsen an verschiedenen Stationen in einer Testanlage minutiös nachgeahmt werden.

ABS und Motorbremse

„Manche Leute meinen, in der Zugentwicklung passiere nichts. Das sei langweilig. Im Gegenteil: Hier gibt es schon seit Ewigkeiten Errungenschaften, die in anderen Bereichen als innovativ gefeiert werden. Zum Beispiel das Bremsen mit dem Motor, wobei Energie gewonnen wird. Oder das Antiblockiersystem, das in unserem Bereich Gleitschutz heißt“, gibt Systemingenieur Andreas Rick zwei Beispiele.

Den neuen Regionalzug RRX hat Siemens designt. Er fährt bis zu 160 Stundenkilometer und besteht aus jeweils vier Wagen: die beiden mittleren sind doppelstöckig, der vordere und hintere ist einstöckig. Das RRX-Streckennetz reicht von Minden bis Aachen, die Hauptlinie liegt zwischen Dortmund und Köln. Alle 15 Minuten soll eines dieser rund 90 Prachtstücke einlaufen.

„Siemens leistet den Instandhaltungsservice für 30 Jahre. Und wir haben ihn zunächst für zehn Jahre abgeschlossen“, so Burkhard Kurek. Derzeit werde ein Wartungsdepot in Dortmund-Eving gebaut. „Der RRX und der ICE 4 sind die beiden deutschen Großaufträge, an denen wir derzeit mitwirken“, sagt der Technikleiter über die Millionenprojekte. Nicht zu vergessen sei, so Kurek: „Sie sichern auch den Standort Witten.“

Weltrekord mit 574 km/h – und Wittener Bremsen

Es ist schon Tradition, dass Faiveley für die Intercity-Flotten der Deutschen Bahn Bremsen liefert. Und nicht nur am neuen RRX, sondern auch an den bisherigen Regionalzügen, die viele Reisende an ihrer markanten roten Außenhülle erkennen, sind die Wittener seit Jahrzehnten mit Bremsen und Kupplungen beteiligt.

Beim ICE 4, der das neue Rückgrat des Fernverkehrs der Deutschen Bahn werden soll, ist Faiveley ebenfalls stark eingebunden. „Insgesamt ist es ein Großauftrag. Wir bauen die Bremsen, an anderen Standorten unseres Konzerns werden die Türen und die Klimaanlagen für den ICE 4 gefertigt“, sagt Technikleiter Burkhard Kurek. Das neue Modell will nicht nur mit Top-Technik, sondern auch mit Formschönheit und Ausstattung punkten. Was zu gelingen scheint: Der Zug ist bereits mit dem „German Design Award 2016“ und dem „Red Dot Award“ des Designinstituts Nordrhein-Westfalen in Essen ausgezeichnet worden.

Am Computer untersuchen Sebastian Montua (li.) und Timo Kruse, wie belastbar Bremsen bei hoher Belastung und der dabei entstehenden Hitze sind.
Am Computer untersuchen Sebastian Montua (li.) und Timo Kruse, wie belastbar Bremsen bei hoher Belastung und der dabei entstehenden Hitze sind. © Thomas Nitsche

Zwei Testzüge des ICE 4 sind bereits im Herbst vorigen Jahres im Personenverkehr zwischen Hamburg und München gestartet. „Die richtige Flotte geht Ende des Jahres auf die Schiene. Für die liefern wir schon Bremsen. Insgesamt werden wir 130 dieser Züge damit bestücken“, erzählt Systemingenieur Simon Nienhaus. Die Gesamtlänge des neuen ICE beträgt 346 Meter – dies ist länger als drei Fußballfelder – die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 250 Stundenkilometern. Da ahnt man, was für Kräfte gebändigt werden müssen, wenn so ein Monstrum mit über 800 Reisenden an Bord bremst.

Den Wittener Spezialisten entlockt das aber nur ein Lächeln: Sie haben bereits das Bremssystem für einen französischen TGV-Hochgeschwindigkeitszug konstruiert, der Weltrekord gefahren ist: unglaubliche 574 Stundenkilometer – und dann natürlich auch stoppen musste. Dass die TGV (Abkürzung für: Train à grande vitesse, Zug mit großer Geschwindigkeit) sehr zügig unterwegs sind, liegt daran, dass für sie spezielle Netze gebaut wurden.

„Bei uns ist das ganz anders“, so Burkhard Kurek. „Da kommt der Schnellzug hinter dem Bummelzug. Deswegen kommt auch keiner pünktlich an. Weil immer einer auf der Strecke steht.“

Firma Faiveley hat 320 Mitarbeiter in Witten

Die Faiveley Witten GmbH mit Sitz in der Brauckstraße in Rüdinghausen ist ein Systemhersteller für Schienenfahrzeugtechnik und ein Kompetenzzentrum für Drehgestellbremsausrüstung und Kupplungen.

Das Unternehmen beschäftigt 320 Mitarbeiter, davon 110 gewerbliche, 70 Ingenieure und 140 Angestellte. Der Jahresumsatz beträgt nach Firmen-Angaben 110 Millionen Euro.

Mehr Infos im Internet unter wabtec.com