Witten. Der Bestseller des Wittener Arztes Dr. Thöns „Patient ohne Verfügung“ sorgt weiter für Aufregung. Diesmal geht’s um einen Streit hinter den Kulissen.
- Journalist Tilmann Jens fühlt sich um seine Miturheberschaft gebracht
- Er habe das Manuskript von Dr. Matthias Thöns grundlegend überarbeitet
- Verlag weist auf vertragliche Vereinbarung hin, dass Jens nicht genannt wird
Hinter den Kulissen des Thöns-Bestsellers „Patient ohne Verfügung“ hat es kräftig gekracht. Der Sohn des berühmten Walter Jens, Tilman Jens, war an dem kritischen Buch des Wittener Palliativmediziners beteiligt, vermisst nun aber die nötige Anerkennung.
In dem Buch wirft Dr. Matthias Thöns Medizinern Geschäftemacherei mit Patienten am Lebensende vor. In einem offenen Brief an Thöns, der der WAZ vorliegt, betont der freie Journalist und Autor Tilman Jens: Es stoße ihm „verdammt sauer“ auf, von Thöns „um die Offenlegung meiner Miturheberschaft“ gebracht worden zu sein. Jens ist der Sohn des 2013 verstorbenen Tübinger Rhetorikprofessors, Philologen und Schriftstellers Walter Jens und Autor eines umstrittenen Buches, das er über den Abschied von seinem in den letzten Lebensjahren dementen Vater schrieb.
„Ich habe das Manuskript grundlegend bearbeitet“
Tilman Jens war, wie er sagt, über einen Bekannten mit Thöns in Kontakt gekommen – einen ehemaligen Unternehmer aus dem Fränkischen. Diesem sei es wichtig gewesen, dass das Thöns-Buch erscheint. Von diesem Ex-Unternehmer, der namentlich nicht genannt werden möchte, sei er 2015 gebeten worden, das Manuskript zu überarbeiten. Dieser habe ihn dafür bezahlt.
Bei dem Manuskript habe es sich anfangs um „eine Ansammlung von Fallbeispielen, eine Stoffsammlung“ gehandelt. Jens: „Ich habe das Manuskript von Thöns grundlegend bearbeitet.“ Er habe dem Piper-Verlag, wo das Buch erschien, vertraglich zusichern müssen, „dass ich darüber Stillschweigen bewahre, dass ich es überarbeitet habe“.
Tilman Jens zeigt sich enttäuscht
Auf die Frage, warum er seine Arbeit jetzt dennoch öffentlich machen möchte, sagte Tilman Jens unserer Zeitung: Es mache ihn wütend, dass Thöns sich jetzt „als alleiniger Autor präsentiert“. Darüber sei er enttäuscht. Der 62-Jährige weiter: „Darum halte ich mich an keine Verschwiegenheitsverpflichtung mehr.“ Er habe „schon erwartet, dass Matthias Thöns, auch wenn es vertraglich anders geregelt ist, bei öffentlichen Präsentationen sagt: Tilman Jens hat mir geholfen“.
Eine Sprecherin des Piper-Verlages betonte, dass ihr Haus – aber auch Matthias Thöns – von dem offenen Brief überrascht seien. „Dass Verlage bei Sachbüchern von Experten aus Wissenschaft oder Medizin mit Koautoren beziehungsweise Ghostwritern arbeiten, ist gängige Praxis.“ Piper habe im April 2016 eine entsprechende vertragliche Vereinbarung mit Tilman Jens getroffen, wonach dieser „im Einklang mit seinem eigenen Wunsch im Buch nicht genannt wird“.
Manche von Thöns Aussagen „zu pauschal“
Mit seinem Aufreger-Buch „Patient ohne Verfügung“ war der Wittener Palliativmediziner Thöns zu Gast in mehreren Fernsehsendungen, landete auf der Spiegel-Bestsellerliste. Wittener Ärzte zeigten sich – wie berichtet – verärgert über das Buch, sprechen von einer Pauschalkritik, fühlen sich von Thöns unter Generalverdacht gestellt und diffamiert. Tilman Jens betont, er habe dem Verlag mitgeteilt, dass er „eine fachlich medizinische Überprüfung der Fakten für zwingend notwendig halte“, weil auch ihm manche von Thöns Aussagen „zu pauschal“ erschienen seien.
In seinem Buch „Patient ohne Verfügung. Das Geschäft mit dem Lebensende“ kritisiert Matthias Thöns anhand von zahlreichen Fallbeispielen, dass Patienten aus finanziellen Gründen am Ende ihres Lebens übertherapiert würden, auch wenn keine Hoffnung auf Heilung mehr bestehe. Therapien, die für die Betroffenen unter Umständen auch großes Leid bedeuten könnten.
Verlag hat Manuskript fachlich prüfen lassen
Eva Brenndörfer, Sprecherin des Piper-Verlages, sagte zu dieser Zeitung: „Die Kollegen aus dem Lektorat haben das Manuskript von ,Patient ohne Verfügung’ – wie alle Buchprojekte, die wir veröffentlichen – fachlich prüfen lassen.“ Auch Dr. Thöns habe den Text vor der Veröffentlichung von Kollegen gegenlesen lassen.
Dieser zeigt sich über den Vorstoß von Tilman Jens sehr überrascht. „Hat mir doch Herr Jens mehrfach schriftlich und mündlich bestätigt, dass es trotz seiner sprachlichen Hilfestellungen mein Buch ist und bleibt“, erklärte der Wittener Arzt. „Auch an sein Wort der Verschwiegenheit, wie auch seinen Wunsch, nicht genannt zu werden, scheint er sich nicht mehr zu erinnern.“ Selbstverständlich habe er „für mich fachfremde Dinge von namhaften Kollegen prüfen lassen“, so Thöns weiter. Teilweise habe er diese Kollegen sogar nennen dürfen.
„Rechtlich ist alles in Ordnung“
Tilman Jens sagt, Matthias Thöns habe ihm angeboten, „mir hinten im Buch für die stilistische Glättung zu danken“. Er habe dies deswegen abgelehnt, „weil ich damit meine Rolle in keiner Weise angemessen beschrieben fand“. Diese Sache sei kein Skandal, betont Jens. „Rechtlich ist alles in Ordnung.“ Dass das „Tabuthema Übertherapie“ durch das Buch öffentlich diskutiert werde, „ist und bleibt verdienstvoll“.