Witten. . Wenige Tage vor der Stichwahl schaltet Bürgermeisterkandidat Frank Schweppe deutlicher auf Attacke um. Adressatin ist Amtsinhaberin Sonja Leidemann.

Mit 20 Jahren Erfahrung als Sozial-, Schul- und Sportdezernent und einem verschärften Ton gegenüber seiner politischen Gegnerin Sonja Leidemann versucht Bürgermeisterkandidat Frank Schweppe auf den letzten Metern vor der Stichwahl zu punkten. Im Interview verrät der gemeinsame Bewerber von SPD und CDU, wie er die kleinen und großen Probleme der Stadt als erster Mann im Rathaus anpacken würde.

Wie sehr hat Sie die Niederlage im ersten Durchgang getroffen?

Schweppe: Ich bin Demokrat, der sich den Regeln unterwirft. Im Moment ist aber keine Niederlage herbeigeführt. Aber es ist ja auch gar nicht überraschend gewesen, dass ich in die Rolle des Sündenbocks gekommen bin, nach dem Streit in der SPD, der gar nicht mit meiner Person begonnen hat. Aber nach draußen bin ich nun einmal das wahrnehmbare Gesicht. Ich wundere mich nur darüber, dass sowohl ehemalige als auch aktuelle Ratskollegen nicht den Blick dafür haben, wie die Rollen verteilt sind.

Wie meinen Sie das?

Es ist schon erstaunlich, dass sich Frau Leidemann alle Erfolge zuschreibt. Dass ich die unangenehmen Beschlüsse treffe, ist sehr holzschnitzartig. Die Schule in Durchholz zu schließen, war beispielsweise ein Ratsbeschluss. Sie hat ja auch noch ein paar Dezernate wie Wirtschaftsförderung, Kultur oder Integration. Wo sind denn da die Erfolge? In meinen Ressorts Sport, Jugend und Soziales ist nicht ganz wenig passiert.

Müssen Sie sich das nicht selbst zuschreiben, Ihre Erfolge nicht so herausgestellt zu haben?

Ich finde das klein kariert, das jetzt nachzuarbeiten. Ich habe mich 20 Jahre erfolgreich den Kontrollgremien wie dem Rat gestellt und nachgewiesen, dass ich einen guten Job mache. Natürlich habe ich Sonja Leidemann immer auf den Bagger gelassen, wenn es etwas zu feiern gab, zuletzt noch beim Spatenstich für das barrierefreie Mehrfamilienhaus mit Kita in Bommern. Der Anteil von Frau Leidemann daran war überschaubar. Den Ärger, die Diskussionen im Vorfeld hatte ich. Ich bin ruhig hinter dem Vorhang geblieben. Mit Plan und Nachhaltigkeit setzte ich Ideen um. Zum Erfolg tragen aber viele Menschen bei, das macht der Dezernent ja nicht alleine.

„Fünf Schulen, wo Kinder Abitur machen können“

Welche Erfolge meinen Sie zum Beispiel?

Wir haben eine gute Schullandschaft. Immerhin steuern 800 Kinder aus anderen Städten dieses System an. Sie finden hier allein fünf Schulen, wo sie Abitur machen können. Was mich geärgert hat: Wir haben es nicht geschafft, NRW-Sportschule zu werden.

Was hat man davon?

Lehrerstellen etwa oder die Unterstützung beim Bau oder Anbau von Sportstätten.

Apropos Schulen. War es ein Fehler, sich nicht klar zum Standort der Gesamtschule Hardenstein in Vormholz zu bekennen? Ihre Gegenkandidatin hält dort ja sogar einen Neubau für möglich.

Wenn sie das für seriöses Tun hält, soll sie das so machen. Ein Neubau ist nur eins von sechs Szenarien. Das Bauamt schuldet uns noch die Zahlen. Die Stadt muss in ihrer Finanzlage genau prüfen, wo sie das Geld ausgibt. Ich habe niemals etwas versprochen, was ich nicht halten konnte. Bevor wir entscheiden, brauchen wir eine solide Grundlage. Ich kann Frau Leidemann natürlich verstehen, das verschafft ihr totale Sympathien in Herbede. Aber was ist mit der Innenstadt, die auf ein begehrtes Angebot verzichten müsste? In der Innenstadt leben dreimal so viele wie in Herbede. Alle gymnasialen Kinder fahren aus Herbede in die Innenstadt, ohne Schaden zu nehmen.

„Nicht alle Flüchtlinge landen auf der Hauptschule“

Die Overberg-Hauptschule soll geschlossen werden. Brauchen wir angesichts der steigenden Zahl von Flüchtlingskindern nicht weiterhin zwei Hauptschulen?

Das war ja ein Impuls des Schulamts, weil es zwei Jahre lang nicht genügend Anmeldungen gab, während im siebten Schuljahr wieder mehr Kinder dazukommen. Wie sich das mit den Flüchtlingen entwickelt, ist noch offen. Es werden sicher auch nicht alle in der Hauptschule landen. Kinder mit etwas Englisch könnten auch bilinguale Realschulen besuchen. Auch die Realschulen haben rückläufige Schülerzahlen. 380 werden wir verlieren, das ist eine ganze Helene-Lohmann-Schule. Adolf-Reichwein ist eine der neueren, Helene Lohmann ist in einem grandiosen Zustand. Sie steht in Bommern an der richtigen Stelle. Zusammen hätten die beiden fünf Züge.

Bliebe Otto Schott, deren Gebäude man einer Gesamtschule zuschlagen könnte.

Es könnte sein, dass man auf eine Realschule verzichtet und ihr Raumpotenzial nutzt. Ich habe die Vorstellung, das alles mit ruhiger Hand anzugehen, mit Blick auf die Kinder, die Kassenlage, und bedarfsgerecht.

Wohin ginge städtebaulich die Reise mit einem Bürgermeister Schweppe? Hat der Visionen?

Ich bin Jurist und hoffe auf eine gute Entscheidung bei der Auswahl des neuen Stadtbaurats. Ich möchte, dass er bestimmte Zusammenhänge sieht, etwa, dass die Zuschüsse für einen Quadratmeter Kita-Bau auch von der Größe einer Stadt abhängen. Es gab Bauwillige für Einfamilienhäuser, es hätten knapp 50 Menschen gefehlt und wir wären nicht unter die 100 000er-Marke gerutscht. Die Häuser wurden nicht genehmigt. Das hat uns richtig Geld gekostet, etwa bei den Schlüsselzuweisungen.

Haben Sie konkrete Vorstellungen beim Thema „Städtebau“?

Wir stehen ja nicht vor einer großen Sanierungswelle. Es gibt kleinere Vorhaben wie in Herbede. Aber der große Wurf ist momentan nicht erkennbar.

„Wir werden viele neue Wohnungen brauchen“

Die Erneuerung von Heven-Ost?

So ein Projekt hängt am Altar der Haushaltskonsolidierung. Sicherlich gibt es da den Bedarf, Qualität zu erzeugen. Es ist einiges in der Pipeline. Die Uni hat 3000 Studenten zum Ziel. Es werden noch mehr Flüchtlinge kommen. Das hat alles miteinander zu tun.Wir werden in einem erheblichen Maße Wohnungen errichten müssen.

Wie wollen Sie die Stadt ohne Geld nach vorne bringen?

Das habe ich schon in der Vergangenheit bewiesen, dass das geht, Beim Sport haben wir abgeschmolzen und trotzdem ausreichend Qualität erreicht. Wir haben die Jugendtreffs auf den Prüfstand gestellt und drei leistungsfähige „Discos“ zu Taschengeldkursen bekommen. Erkennbar wird das auch in dem Spielplatz-Programm, da jedoch nicht in allen Stadtteilen, Bommern zum Beispiel, wo es junge Familien gibt. Da müssen wir noch mal mit den Jugendlichen diskutieren. Ich werde nicht mit dem Beteiligungsverfahren brechen. Wir müssen uns immer fragen, ob der Plan noch stimmt. Wir müssen mit denen sprechen, die sich auskennen. Nehmen Sie den Sport. Wir haben über 20 000 Menschen in Vereinen. Nehmen Sie das Wullenstadion. Da gibt’s gegen ein Euro Fluchtlicht. Das ist ein kleines Beispiel für eine pfiffige Idee. Das geht woanders auch.

Was wollen Sie anders machen als Frau Leidemann?

Ich habe eine andere Arbeitstechnik. Ich setze auf die Mittel der Beteiligung und des Verhandelns. Frau Leidemann sagt: Is so. Vielleicht ist meine Arbeitsweise auf den ersten Blick etwas komplizierter. Aber ich spreche aus 25 Jahren Erfahrung. Was auf den ersten Metern vielArbeit ist, kann in ein vertrauensvolles Miteinander münden. Das ist besser, als sich hinterher an den Widerständen abzuarbeiten. Das kostet doch viel zu viel Kraft.