Witten. . 868 Frauen erhielten in Witten im Vorjahr Grundsicherung im Alter. Männer seltener betroffen. Frauen sind in fast allen Lebenslagen benachteiligt.
„Armut ist weiblich“: Zu diesem Schluss kam der Paritätische Wohlfahrtsverband NRW schon vor 28 Jahren. Viel geändert hat sich nicht. „Frauen sind in praktisch allen Lebenslagen häufiger von Armut betroffen als Männer“, sagt Mechthild Weickenmeier, Geschäftsführerin des Paritätischen im EN-Kreis – die kreisweiten Zahlen bestätigen dies. Und auch Witten bildet hier keine Ausnahme.
Oft kümmerten sich Frauen als Alleinerziehende um die Kinder. Sie arbeiten weniger, werden schlechter bezahlt, haben weniger Rente. „Die momentane Armut“, sagt Wittens stellvertretende Gleichstellungsbeauftragte Bettina Radic(45), „setzt sich dann im Alter fort.“
Wer pflegt, hat finanzielle Einbußen
Dass Armut auch in Witten oft weiblich und alt ist, lässt sich vor allem an der Zahl der Grundsicherungen ablesen. Damit wird der Lebensunterhalt derjenigen gesichert, die nicht mehr arbeiten. In Witten sind, wie auch in der Nachbarstadt Hattingen, mehr Frauen als Männer darauf angewiesen. 2013 erhielten 1408 Personen in der Ruhrstadt Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung – 590 Männer und 818 Frauen. Im Vorjahr liegt die Zahl sogar etwas höher, nämlich bei bei 1521 Personen. Davon ist die Mehrzahl weiblich, nämlich 868.
Auch pflegende Angehörigen sind meistens weiblich – was dazu führt, dass sie Arbeitszeit reduzieren oder ihren Job ganz an den Nagel hängen. Das Geld fehlt dann nicht nur unmittelbar im Portemonnaie, sondern auch später bei der Rente. „Das ist eine Art Teufelskreis“, meint Radic. Konkrete Zahlen hat die stellvertretende Gleichstellungsbeauftragte für Witten aber nicht. „Weil Pflege immer noch ein Tabuthema ist. Wenn eine Frau ein Kind bekommt, ist das ein freudiges Ereignis. Die Betreuung ist planbar. Aber ein Krankheitsfall kommt ganz plötzlich. Viele verschweigen, dass hinter ihrem Rückzug aus dem Job eine demente Mutter oder ein pflegedürftiger Vater steckt.“
Radic plädiert darum für mehr Offenheit im Umgang mit dem Thema. „Nicht nur wir als Stadtverwaltung müssen flexiblere Arbeitsformen anbieten.“ Homeoffice, Telearbeit, Teilzeitmodelle könnten helfen, Armut im Alter bei Frauen vorzubeugen. „Auch Unternehmen müsen sich in dieser Hinsicht öffnen, wenn sie ihre Mitarbeiterinnen langfristig halten wollen.“
Armutsfallen seien außerdem Teilzeitarbeit und Minijobs. „Das sind immer noch Frauendomänen“, erklärt Regina Bleckmann, Beauftragte der Agentur für Arbeit Hagen für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt. Mehr als vier von fünf Frauen im EN-Kreis gehen einer Teilzeitbeschäftigung nach.
Armutsquote steigt
Seit 2007 hält die Verwaltung des EN-Kreis die Armutsquote fest. Vor drei Jahren lag sie mit 9,4 Prozent unter dem Landesdurchschnitt. In den letzten acht Jahren stieg der Anteil der Menschen, die von staatlichen Hilfen leben, kreisweit von 8,9 auf 9,4 Prozent – auch hier liegt Witten im Trend