Witten. . Wären die Retter nicht gewesen, müsste er heute vielleicht über zwei tote Kinder im Kemnader See berichten, sagt Polizeisprecher Volker Schütte.
Was eine Katastrophe hätte werden können, endete am Mittwoch (12.8.) als Happy-End-Termin mit Fernsehen und Zeitung am Seeufer. Vor laufender Kamera zeichnete Hauptkommissar Volker Schütte (56) die beiden Männer aus, die beim Baby- und Kinderflohmarkt am Dienstagmorgen (11.8.) im Hafen Heveney mit der Mutter und einer weiteren Frau zwei fast einjährige Kinder vor dem Ertrinken im Kemnader See gerettet hatten.
Nein, als Held fühle er sich nicht, sagt Jürgen Tamski (49), als ihm Schütte im Namen der Bochumer Polizeipräsidentin die Ehrenmedaille der Behörde überreicht. Selbstverständlich sei das, was er getan habe. „Ich bin doch ein Mensch.“ Vielleicht war es doch nicht so selbstverständlich. Hunderte hätten tatenlos oben am Ufer gestanden, als die Frauen schon im Wasser um Hilfe schrien. Der Handwerker aus Hemer hörte die Rufe, als er gerade am Stand seiner Tochter stand. Dann sah er die „Babys im Wasser“.
„Die Kinder waren bis zum Hals im Wasser“
„Ich bin losgespurtet, habe unterwegs noch Geld und Zigaretten weggeworfen, bin dann die Böschung runtergerannt und rein“, schildert er die ersten Momente der dramatischen Rettungsaktion. Fast zeitgleich reagierte Hakan Eker (46) aus Witten, der seine Schwester zu dem Flohmarkt begleitete. Er hatte jemanden laut rufen hören: „Festhalten!“ Erst habe er gedacht, einer hätte etwas geklaut. „Dann sah ich den Kinderwagen im Wasser.“
Vier, fünf Meter entfernt vom Ufer kämpfte da schon die Mutter, die vergessen hatte, die Bremse des Doppel-Buggys festzustellen, in den Fluten um das Leben ihrer Zwillinge. Hakan Eker: „Die Kinder waren bis zum Hals im Wasser.“ Mit der Mutter aus Hagen war da schon eine weitere Frau im Wasser. Doch alleine hätten die beiden Frauen den schweren Doppelwagen, der eine steile Böschung hinab in den See gerollt war, wohl niemals herausbekommen.
„Halt den Kurzen hoch!“
Jürgen Tamski packte die angeschnallten Kinder am Arm und versuchte, sie über Wasser zu halten, Hakan Eker zog mit einer Hand vorne den Buggy, während er mit der anderen paddelte. Die Frauen schoben von hinten. „Ich war mehr mit dem Kopf unter als über Wasser“, sagt Tamski. Er habe noch die eine Frau angeschrien: „Halt den Kurzen hoch!“ Meter für Meter kämpften sich alle vier zurück ans Ufer, durch Wasserpflanzen hindurch, den voll bepackten Kinderwagen mit den schreienden Jungs im Schlepptau. Tamski: „Kurz vorm Ufer habe ich noch mal richtig Wasser geschluckt und gedacht, jetzt geht nichts mehr. Dann habe ich in die Augen der Kleinen geguckt und mir gesagt: Jetzt kämpfst du erst recht.“ Nie hätte er es sich verziehen, sagt wenn sie untergegangen wären.
Am Ufer zogen unter anderem Helfer des Flohmarktveranstalters die völlig erschöpften und durchnässten Retter mit den Kindern heraus. Alle bekamen trockene Sachen, Kleider waren ja genug da. Der eine Junge sei etwas bläulich verfärbt gewesen – doch offenbar haben die Zwillinge, die bis Donnerstag in einem Wittener Krankenhaus bleiben, alles gut überstanden. Jürgen Tamski: „Die Mutter konnte nur noch weinen, als ich sagte, jetzt ist alles gut.“ Er halte Kontakt zu den Eltern der beiden Jungs. „Ich möchte unbedingt ihren ersten Geburtstag erleben.“