Das „DDR-Kabinett Bochum“ trägt in Wattenscheid mehr als 6000 stumme Zeitzeugen zusammen .
Die Fassade des Hauses an der Harkortstraße 26 wirkt auf den Betrachter nichtssagend. Doch in einer dahinter liegenden Erdgeschosswohnung sprechen mehr als 6000 Exponate Bände über Leben, Alltag und Politik in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR).
DDR Kabinett
1/37
Wer als „Wessi“ die Ausstellungsräume betritt, ist beeindruckt, angesichts eines in Türnähe postierten lebensechten DDR-Grenzsoldaten mit Kalaschnikow sogar schockiert. Über den Besucher ergießt sich eine Flut von Asservaten aus einer fremden Welt: Uniformen, vom Revierförster bis zum Generalmajor der Nationalen Volksarmee, Ausrüstungsgegenstände – von der Reichsbahn bis zur Interflug – Urkunden, Orden- und Ehrenzeichen, Abzeichen, Wimpel, Fahnen und Ehrenbanner, Zeitschriften, Bildbände und Bücher, Dienstvorschriften und Dokumente, Fotos, Plakate, Medaillen, Münzen, Mobiliar und Haushaltsgegenstände legen Zeugnis von einer ganz speziellen Epoche der deutschen Nachkriegsgeschichte ab. Selbst die Wände, mit Fotos von Walter Ulbricht, Erich Honecker und anderen „sozialistischen Größen“ dekoriert, sind authentisch tapeziert. Originale sind auch die Lampen mit ihrem eher düster wirkenden Schein.
Hüter und Sachwalter des breit gefächerten Sammelsuriums ist das „DDR-Kabinett Bochum“, ein nach eigenen Angaben inzwischen als „gemeinnützig“ anerkannter, 17 Mitglieder zählender Verein. Den Großteil der Exponate hat Vorsitzender Andreas Maluga in die Zeit nach dem Mauerfall gerettet.
Der 47-Jährige berichtet: „Ich war kurz nach der Wende drüben und habe dabei mit Entsetzen sehen müssen, wie versucht wurde, die Geschichte der DDR gleich containerweise zu entsorgen. Dabei konnte ich nicht tatenlos zusehen und habe, wo ich konnte, zugegriffen, um Indizien für ein Stück ostdeutscher Nachkriegsgeschichte zu sichern. Vieles habe ich dann später auch auf Trödelmärkten gefunden oder von Menschen geschenkt bekommen, die mein Anliegen unterstützen.“
Und was ist das Anliegen des Mannes, der seine Brötchen in der Druckindustrie verdient und bekennendes Mitglied der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) ist? Maluga zitiert Hans Fricke, ehemaliger Kommandeur der DDR-Grenztruppen: „Ein Mensch kann seine Vergangenheit vergessen wollen, sie verdrängen, verteufeln, glorifizieren, verschweigen – oder offen über sie reden.“
Andreas Maluga: „Unser Kabinett will die Geschichte der DDR anhand von Sachzeugen darstellen, begreifbar machen und ohne voreingenommene Wertung zum Nachdenken ermuntern. Wir betrachten das als notwendigen Beitrag, um ein möglichst ehrliches Bild über die DDR zu zeigen.“
Eberhard Eick (60), stellvertretender Vorsitzender des Kabinetts, ergänzt: „Unser Engagement ist ein Versuch, der Schwarz-Weiß-Malerei zwischen Ost und West etwas entgegen zu setzen. Viele neigen aus Unkenntnis dazu, die DDR leichtfertig zu verurteilen. Wir wollen aufklären.“
DDR-Geschichte und Ruhrgebiet, wie passt das zusammen? Dazu Andreas Maluga: „Unsere Standortwahl ist eine Reminiszenz an Philipp Müller, der am 11. Mai 1952 in Essen bei einer Demonstration gegen die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik von der Polizei erschossen worden ist.“
Müller war Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) und Aktivist der Freien Deutschen Jugend (FDJ). Deren Vorsitzender Erich Honecker erklärte vier Tage nach dessen Tod: „. . . nicht eher rasten und ruhen, bis der Mord an Philipp Müller durch den Sturz der verräterischen Adenauer-Clique gesühnt ist.“
Sie haben vermutlich einen Ad-Blocker aktiviert. Aus diesem Grund können die Funktionen des Podcast-Players eingeschränkt sein. Bitte deaktivieren Sie den Ad-Blocker,
um den Podcast hören zu können.