Wattenscheid. .

Die Bereitschaft der Deutschen zur Betreuung ihrer pflegebedürftigen Angehörigen geht deutlich zurück, hat eine neue Studie ergeben. So habe sich der Anteil derer, die zu einer Rundum-Pflege bereit seien, innerhalb von fünf Jahren halbiert.

Aber: „Angehörige verweigern sich nicht aus egoistischen Gründen“, weiß Hans-Jürgen Rempe von der Caritas.

Der Diplom-Sozialarbeiter und Leiter des Alten- und Pflegeheims St. Elisabeth von Thüringen weiß um die Not der Angehörigen: „Diejenigen, die pflegen, sind selbst meist schon älter und haben nicht mehr die körperlichen Kräfte.“ Anderen fehlte aus beruflichen Gründen die Zeit für eine Rundum-Pflege zu Hause. „Aber den Satz ,Ich will nicht pflegen’ haben wir noch von keinem Angehörigen gehört“, betont Rempe.

Steigender Bedarf an Pflegedienstleistungen

Sicher: Der Bedarf an Pflegedienstleistungen sei bei der Caritas in den vergangenen Jahren „schleichend und kontinuierlich gestiegen“ – sowohl bei den ambulanten Diensten als auch in der stationären und der Tagespflege. Und dass es fürs Pflegeheim keine lange Warteliste mehr gebe wie früher, liege vor allem daran, dass zwei neue Heime mit 160 Plätzen hinzugekommen seien.

„Wir bekommen es aber bei allen Anmeldegesprächen, sowohl in der Kurzzeit- und Tagespflege als auch bei der Pflege im stationären Bereich mit, wie belastet die Angehörigen sind“, betont Rempe. Denn die Rundum-Pflege durch Angehörige gebe es durchaus noch häufig – bis es nicht mehr geht. „Viele sind durch die Pflege völlig fertig, sowohl körperlich als auch psychisch. Sie riskieren dabei häufig ihre eigene Gesundheit.“

Hinzu komme das schlechte Gewissen, trotz aller Mühen nicht genug zu tun oder getan zu haben – gerade wenn es ums Thema Pflegeheim gehe: „Viele kommen mit der Situation nicht klar, den Vater oder die Mutter in fremde Hände zu geben. Die Not dieser Angehörigen ist sehr, sehr groß.“ Pflegeheime hätten immer noch ein schlechtes Image, obwohl sich vieles gebessert habe. „Wir müssen versuchen, mit diesem Image fertig zu werden.“

Tagespflege statt Heim

Eine Heim-Unterbringung würden viele Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen aber auch aus finanziellen Gründen so lange wie möglich aufschieben. „Achtzig Prozent sind auf zusätzliche Sozialhilfe angewiesen“, weiß Rempe. „Die Pflegeversicherung ist halt keine Vollkasko.“ Hinzu komme gerade in der Generation, die jetzt zunehmend auf Pflege angewiesen ist, Angst und Scham aufs Sozialamt angewiesen zu sein. „Diese Angst können wir ihnen nicht nehmen, aber es ist kaum jemand in der Lage, Sätze von dreitausendzweihundert bis viertausendvierhundert Euro zu zahlen.“

Eine mitunter weitaus günstigere Möglichkeit sei oft die Tagespflege, mit der pflegende Angehörige entlastet würden. „Wenn jemand mit Pflegestufe eins zweimal pro Woche kommt, zahlt er lediglich einen Eigenanteil von acht Euro fünfzig“, rechnet Rempe vor, räumt aber ein: „Das kann natürlich anders aussehen, wenn er zu Hause bereits von der Sozialstation versorgt wird.“

Eine optimale Lösung gebe es selten. „So, wie die Pflegelandschaft zurzeit aussieht, geht das nicht mehr lange gut“, befürchtet Rempe. „Es müsste eigentlich ein Aufschrei durch Deutschland gehen, dass es nicht mehr so weitergeht.“ Denn nicht nur pflegende Angehörige, sondern auch die professionell Pflegenden seien mit ihrer Kraft völlig am Ende – weil es zu wenig Personal gebe. „Aber bei mehr Personal hätten wir dann Pflegesätze nicht von viertausend, sondern von sechstausend Euro.“