Witten. .

Lächelnd sitzt er in seinem Sessel und erzählt von früher: Von den Zechen, in denen er 36 Jahre lang schuftete. Immer wieder fehlt Theodor Sträter (76) ein Name, ein Wort. Doch sein Gedächtnis sitzt neben ihm.

„Natürlich pflege ich meinen Mann“, sagt Erna Sträter (75) und streichelt ihm zärtlich über die Wange. „So haben wir uns das versprochen – in guten wie in schlechten Zeiten.“

1,1 Millionen Menschen in Deutschland leiden an Demenz, hinzu kommen viele weitere Erkrankungen, die die Selbstständigkeit rapide einschränken. Doch nur noch jeder fünfte Deutsche würde ein Familienmitglied rund um die Uhr pflegen, besagt eine neue Studie der Stiftung Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP). Noch vor fünf Jahren waren es noch doppelt so viele.

Für Erna Sträter war das nie eine Frage. Ein Schlaganfall zwang den aktiven Mann, dem auf dem acht Jahre alten Foto auf dem Tisch die Lebensfreude noch aus dem Gesicht zu springen scheint, vor drei Jahren in die Knie. Damals im Krankenhaus, habe man sie gefragt, ob sie ihn ins Heim geben wolle. „Wir sind 56 Jahre verheiratet. Meinen Mann gebe ich nicht ab“, sagte die Seniorin, die gerade ihren 75. gefeiert hat. Die prächtigen Blumensträuße schmücken noch ihre gemütliche Wohnzimmer in Heven, in der die beiden schon seit 46 Jahren leben. In der Vitrine lächeln kleine und große Clowns, die Theodor Sträter akribisch gesammelt hat.

Doch nach dem Schlaganfall ließ sein Gedächtnis nach. Immer häufiger vergaß er etwas, verlegte Dinge, kam nicht mehr so gut zurecht. „Es ist schon manchmal hart“, sagt Erna Sträter. „Aber da muss man durch.“

Jeden Morgen wäscht sie ihren Mann, geht mit ihm zur Toilette, rasiert ihn und zieht ihn an. Nachmittags geht sie mit ihm spazieren, die beiden schauen fern oder knobeln zusammen. Abends macht sie ihn bettfertig. Wenn er in der Nacht aufstehen muss, steht sie mit auf. Den Frühstückstisch decken sie gemeinsam. „Er hilft auch bei der Fegewoche und schält Kartoffeln.“ Er ist Teil des Alltags, wird überall eingebunden. Das ist Erna Sträter wichtig.

Theodor Sträter hat Pflegestufe II, der Satz für häusliche Pflege liegt bei 430 Euro. Einmal am Tag kommt eine Pflegerin der Caritas: „Da bin ich sehr froh, die sind alle sehr nett“, sagt die 75-Jährige. Und seit einem Jahr geht ihr Mann an vier Tagen in der Woche von 8.30 bis 14.30 Uhr zur Kurzzeitpflege. „Man muss auch mal bremsen“, hat Erna Sträter gemerkt. Diese stillen Stunden seien wichtig, da könne sie lesen, mit dem Hund der Enkelin spazieren oder in Ruhe einkaufen gehen. „Dann denke ich nicht, Papa wartet.“

Menschen zu helfen, damit sei sie aufgewachsen, erzählt sie. Ihre Eltern seien gehörlos gewesen. Das sei für sie völlig normal. „Ich wünschte mir, dass sich die Menschen mal überlegen, wie viele Kranke es gibt, so viele nette Menschen.“ Wer die Möglichkeit hat, sollte helfen. Natürlich sei das manchmal traurig. Und dann schaut sie wieder mit diesem liebevollen Blick zu ihrem Mann: „Aber wir sind zusammen alt geworden und wir werden auch noch älter.“