Bochum-Eppendorf. In der Traditionskneipe an der Engelsburger Straße in Bochum dreht Wirt Paul Kleine (69) den Zapfhahn hoch. Die Zukunft lässt er bewusst offen.
Was ihm immer wichtig gewesen ist, pflegt Paul Kleine auch am letzten Abend im Keglerheim an der Engelsburger Straße. Zeit für seine Gäste zu haben, und ganz besonders für die Kegler auf der Bahn zu sorgen. Die Gaststätte ist picke packe voll, zum letzten Mal nach 14 Jahren lassen „Die Neuner“ die Kugel rollen. „Blitzblank, die Bahn, wie geleckt“ unterstreicht der Club. In der fünften Generation hat Paul Kleine mit seiner Lebensgefährtin Sigrid Altegoer (67) das Keglerheim nun seit 1969 betrieben. Über dem Durchgang zur Kegelbahn prangt ein Schild: „1914“. Jetzt ist Schluss.
Die Kneipe in der Kurve vor der S-Bahn-Brücke ist sogar noch älter und seit 149 Jahren im Familienbesitz. Kleines Mutter stammte aus dem Schwarzwald, deshalb gibt es hier Bilder mit typischen Motiven, ein „Schwarzwald-Eck“, und Rothaus-Bier aus Freiburg im Ausschank. Auf der Karte finden sich Spirituosen wie der „Schwarzwald-Teufel“ mit 51 Prozent und eine Reihe von Winzerweinen aus der Region.
„Die Neuner“ waren 14 Jahre zu Gast in der Bochumer Gaststätte
„Die Neuner“, der Club aus Höntrop, Eppendorf und Weitmar, ist traurig, wie die vielen Stammgäste am heutigen Abend. „Das ist noch eine der Kneipen wie früher, die findest du doch kaum noch“, sprudelt es aus Birgit, Martina, Miriam, Birgit, Thomas, Frank und Martin. Kerstin ist ausgerechnet heute krank, kann nicht dabei sein.
„Ich war hier schon mit meinem Opa“, kramen sie sentimental in Erinnerungen, „und ich mit meinem Vater nach dem Fußball gegenüber bei Schwarz-Weiß Eppendorf“. „Wie Poliboy aus der Werbung von früher“, meinen sie grinsend, habe Paul die Bahn behandelt. „Kugeln mit Macken gab‘s hier nicht, die waren wie poliert.“ In der „Chronik“ an der Hönnebecke in Höntrop wollen sie in Zukunft kegeln, andere Clubs wohl im Kolpinghaus am Hellweg.
Große Feten waren die Ausnahme im Keglerheim in Bochum Bochum
Die Bahn und die Clubs waren auch der Grund, warum es hier selten große Feten gegeben habe, erklärt Paul Kleine in einem kurzen Moment auf dem Weg zwischen Küche, Zapfhahn und den Gästen an den Tischen. „Mal eine Hochzeit mit 100 Leuten, ja, aber sonst keine großen Gesellschaften. Da hätte ich ja keine Zeit für die Kegler gehabt, hätte denen womöglich absagen müssen“, das war für ihn klar.
Wie es in dem Haus im Familienbesitz weitergeht, in dem Paul und seine Sigrid auch wohnen, lässt der Wirt offen. „Vielleicht Büros, vielleicht wieder Gastronomie“, meint er nur knapp. Er hat schon ein Jahr länger gemacht, als er vor 2014 versprochen hatte, als das Keglerheim 140 Jahre wurde. „Für mich ist es genug“, bekommen die Gäste als Antwort. „Ich hab‘ jetzt gearbeitet, durchgängig seit ich 14 war, und ich hab‘s immer gern gemacht.“
Ein beliebtes Ausflugslokal mit Biergarten an der Bochumer Bahnlinie
„Ich will jetzt nur noch machen, wozu ich Lust habe. Nee, ich bin seit 2019 Rentner“, sagt er, „und ich brauche keinen Plan. Pläne machen, das wäre ja wieder wie im Beruf. Ich finde schon immer was Neues“, entgegnet er nur. „Vielleicht ‘ne Weltreise?“, will einer wissen, und Kleine gibt zurück: „Weltreise? Hier ist es viel schöner.“
„Sieben Kneipen gab es mal allein in Eppendorf“, sinniert inzwischen Gerd Robok am Tresen. Der Vorsitzende des Eppendorfer Heimatvereins will am letzten Abend auch dabei sein. „Aber das war in der großen Zeit, so in den 1960er Jahren“, blickt er zurück, „und vor allem war das hier ein Ausflugslokal, das einzige zwischen dem Dorf und der Alleestraße. Seit es den Rad-Wanderweg gibt, haben auch immer mehr Leute den Biergarten entdeckt. Ist ja ungewöhnlich, so direkt an der S-Bahn-Linie“, erzählt er.
Für „späte Gäste“ hängt im Keglerheim sogar der Fahrplan der Buslinie 345, die hier verkehrt. Aber der für 2023. Einen neuen wird Paul Kleine wohl nicht mehr aufhängen.