Wattenscheid/Herne. Mode made in Germany: Kann das heute noch funktionieren? Eine Wattenscheiderin ist davon überzeugt – und hat jetzt ihre eigene Firma gegründet.

Steilmann ist Vergangenheit. „Modellmacher“ soll die Zukunft sein. Mit einem eigenen Modelabel kehrt Katrin Lorenz-Wehmeyer zu ihren Wurzeln zurück. Und will doch vieles anders machen als ihr einstiger Lehr-Herr. Nachhaltigkeit ist Trumpf – mit Mode made in Germany.

Es war die Blütezeit der Klaus Steilmann GmbH & Co. KG, als Katrin Lorenz-Wehmeyer in den 1980er Jahren ihre Ausbildung zur Industriekauffrau bei dem legendären Textilunternehmer in Wattenscheid absolvierte. Europas seinerzeit größter Damenmoden-Konfektionär („Mode für Millionen“) blieb bis 2002 ihr Arbeitgeber. Schwerpunkt: Vertrieb im In- und Ausland.

„Modellmacher“ will nachhaltige Mode produzieren

Von ihren Kenntnissen und Erfahrungen in einem Weltkonzern profitierte die Wattenscheiderin bei ihren weiteren beruflichen Stationen u.a. in der Energie- und Schreibwarenwirtschaft. Stets mit dem Gedanken, irgendwann in die Textilbranche zurückzukehren. Als Selbstständige. Mit eigener Philosophie weit entfernt von der längst gängigen Billig-Massenfertigung im Ausland, vornehmlich in Fernost,

2021 fasste sich die zweifache Mutter ein Herz und gründete „Modellmacher“. Eine Erbschaft verschaffte ihr die notwendige finanzielle Basis, um ihren Traum zu verwirklichen: ein Bekleidungsunternehmen zu führen, „das es sich auf die Fahne geschrieben hat, Damenmode dort zu produzieren, wo sie verkauft wird. Vor Ort. In der Nachbarschaft“, wie es auf der Homepage heißt.

Auch interessant

Fertigung übernimmt Partnerfirma in Hamburg

Mit der Nachbarschaft klappt’s noch nicht so ganz. In Hamburg sitzt ihre Partnerfirma, die die Produktfertigung übernimmt. „Dafür musste ich lange suchen. In Deutschland ist die Textilindustrie quasi nicht mehr existent“, sagt Katrin Lorenz-Wehmeyer.

Die Konsequenzen seien dramatisch. „Der Run auf Billigtextilien ist groß, das Interesse der Industrie an höheren Gewinnen ebenso. Was folgt, ist ein Kreislauf, der die Umwelt belastet“, beschreibt Katrin Lorenz-Wehmeyer. „Weltweit kaufen Textilhersteller ihre Waren in Tausende Kilometer entfernten Billigländern ein, um sie dann in weiteren Billiglohnländern zum Produkt fertigen zu lassen. Manche leiten sogar die Ware zunächst nach Europa, um sie dann wieder zurück zu schicken in das Billiglohnland, das das Fertigteil produziert.“ Ein klimapolitischer Irrsinn. Massen an Wegwerfware inklusive.

Aus dem Jahr 1987 stammt dieses Foto von Klaus Steilmann (li.) mit dem Modezar Karl Lagerfeld.
Aus dem Jahr 1987 stammt dieses Foto von Klaus Steilmann (li.) mit dem Modezar Karl Lagerfeld. © WAZ FotoPool | INGo OTTO

Hosen, Jacken, Blusen und Kleider machen den Auftakt

Die Textilindustrie müsse sich neu aufstellen. Die 53-Jährige sieht sich als Vorreiterin. Mit der studierten Modedesignerin Anja Schneidersmann hat sie eine Damen-Kollektion entworfen, die mit dem Prädikat „Made in Germany“ Umwelt- und Modebewusstsein vereinen soll.

Anerkennung für Klaus Steilmann

In höchsten Tönen spricht Katrin Lorenz-Wehmeyer von ihrem einstigen Ausbilder und Arbeitgeber Klaus Steilmann aus WAT.

Seine soziale Ader sei unvergessen. „Egal, wie das Unternehmen wuchs, Herr Steilmann kannte alle seine Mitarbeiter.
Er hatte für jeden ein offenes Ohr, egal ob Putzfrau oder Abteilungsleiter. Das Unternehmen erfüllte Qualitätsstandards, lange bevor sie nachgefragt wurden.“

Alle Informationen über das Start-up der Wattenscheiderin gibt es auf modellmacher.net

Zum Auftakt sind Hosen, Jacken, Blusen und Kleider per E-Commerce erhältlich. Mit Preisen von 169 Euro für eine Hose bilden die Textilien den exakten Gegenentwurf zur Geiz-ist-geil-Mentalität. „Aber die Stoffe sind von höchster Qualität, mit klassischem Schnitt im Business-Look. Zielgruppe sind Frauen von 25 bis 65“, wirbt Katrin Lorenz-Wehmeyer für ihr Start-up.

Ladenlokal soll in Wattenscheid eröffnet werden

Gern hätte sie ihr Unternehmen in ihrer Heimat Wattenscheid gegründet. „Leider habe ich hier nichts Passendes gefunden.“ So firmiert „Modellmacher“ aktuell am Shamrockring in Herne. Das könnte sich aber bald ändern. Zusätzlich zum Online-Geschäft will Katrin Lorenz-Wehmeyer ein Ladenlokal eröffnen, möglichst mit integrierter Schneiderei. Das, so hofft sie, wird in Wattenscheid gelingen.