Bochum-Wattenscheid. Winnetou: Nicht nur auf der Freilichtbühne Wattenscheid schlossen er und Old Shatterhand Blutsbrüderschaft. Selbst Tana Schanzara mischte mit.
„Isch bien Winnetou“: Mit diesen Worten wurde Pierre Brice zum Idol einer ganzen Generation. Was kaum jemand weiß: Schon weit vor Beginn der legendären Filmreihe in den 1960er Jahren war die innige Freundschaft des Apachenhäuptlings zum charismatischen Westernhelden Old Shatterhand ein echter Kassenschlager – auch in Wattenscheid.
Pierre Brice als Winnetou: eine Legende
An zwei bewegende Aufführungen in der Freilichtbühne Wattenscheid erinnert das großformatige Buch „Karl May auf der Bühne“, soeben erschienen. Nur noch wenige dürften sich noch daran erinnern, dass es zwischen den Jahren 1939 und 1954 hier große Winnetou-Festspiele gab. Zwar eine Weile her, doch die Fotos, die der Verlag aus den Tiefen der Archive gegraben hat, sind absolut sehenswert. Und das Buch fördert echte Überraschungen zutage. So war die unvergessene Bochumer Schauspielerin Tana Schanzara 1954 eine der Darstellerinnen. Mit damals Ende 20 spielte sie die resolute Rosalie.
Für echte Karl-May-Fans ist das Buch ohnehin ein Fest: Auf 400 Seiten haben die Autoren Nicolas Finke und Reinhard Marheinecke darin unzählige Aufführungen erfasst, die von 1908 über die Zeit des Zweiten Weltkriegs bis in die 1960er Jahre entstanden sind – lange bevor die Winnetous unserer Zeit von Pierre Brice, Alexander Klaws oder Claus Wilcke gegeben wurden. Dass selbst der friedliebende Winnetou von den Nationalsozialisten zu Propaganda-Zwecken missbraucht wurde, ist nur ein lesenswertes Kapitel des Buches, das wie alle anderen Bücher aus dem Karl-May-Verlag in Bamberg mit dem typischen grünen Einband und der goldenen Schrift daher kommt.
Premiere 1939
Lange bevor Elspe und Bad Segeberg zum Mekka für Hobby-Indianer wurden, war die Freilichtbühne Wattenscheid ein wichtiger Spielort: Die erste Premiere fand am 22. Juli 1939 statt, nur zwei Jahre nachdem die Open-Air-Bühne überhaupt gebaut worden war. Unter der Regie von Hanns Reinhardt trat ein Schauspieler namens Alfons Stoffels als Winnetou auf. „Es hat uns wirklich überrascht, als wir bei den Recherchen zu unserem Buch herausbekamen, wer das war“, erzählt der Autor Nicolas Finke.
Später Schwarzwaldklinik
Denn Alfons Stoffels erlangte später unter dem Namen Alf Marholm bundesweite Berühmtheit, als er den Verwaltungsdirektor Mühlmann im Serien-Klassiker „Die Schwarzwaldklinik“ spielte. Der in Oberhausen geborene Stoffels spielte unter anderem auch am Bochumer Schauspielhaus. Während sein Mühlmann von eher fülliger Statur war, sah er als Winnetou ungleich schlanker aus, wie die Bilder aus dem Wildwest-Spektakel an der Parkstraße belegen.
Apropos Bilder: Dass diese überhaupt vorliegen, ist ein ziemliches Glück. Das Oberbürgermeisteramt Wattenscheid schickte sie 1939 gemeinsam mit einigen Pressestimmen an den Karl-May-Verlag. In den Zeitungen wurde die Aufführung als „gut geglückt“ bezeichnet. „Dieses Material ist erhalten geblieben, so dass eine Auswahl dieser seltenen Bilder Eingang in unser Buch gefunden hat“, erzählt Finke.
1954 weitere Aufführung
Bei den Recherchen zur zweiten Winnetou-Aufführung, die 1954 ebenfalls in der Freilichtbühne stattfand, war die Bildauswahl wesentlich knapper. „Da haben wir neben einem verwackelten Szenenfoto mit Ludwig Schwartz als Sam Hawkens kaum brauchbares Bildmaterial finden können“, erzählt Finke. Immerhin klingt die Besetzungsliste interessant: Neben Tana Schanzara traten Walter Kohls (als Winnetou) und Willi Pelser (als Old Shatterhand) in Erscheinung, die später etwa in „Percy Stuart“ und „Ein Herz und eine Seele“ mitwirkten.
Schlagzeile: „Wildwest in Wattenscheids Stadtpark“
Die Wattenscheider Zeitung berichtete ausführlich über den „Wildwest in Wattenscheids Stadtpark“, der unter widrigen Umständen stattfand: Denn während der Premiere muss es ausgiebig geregnet haben, was nicht viele zahlende Gäste zur Freilichtbühne lockte. „Die Akteure ließen sich nicht verdrießen, und die Zuschauer stärkten ihnen durch ihr Ausharren den Rücken. Ein Jammer nur, dass das Auditorium nicht stärker besetzt war.“ Im Jahr 1976 gab es übrigens eine weitere Winnetou-Inszenierung in Wattenscheid: Davon wollen die Autoren im zweiten Band ihrer Karl-May-Theatergeschichten berichten, der gerade in Arbeit ist. Fortsetzung folgt.