Bochum-Wattenscheid. Modeschöpfer Joachim Seier zog es nach Stationen bei Boss, Cerruti und Rena Lange zurück nach Wattenscheid. Hier gründete er sein eigenes Label.
In Joachim Seiers Atelier nahe dem Stadtgarten in Wattenscheid sieht es ganz so aus, wie man es sich bei einem Modedesigner vorstellt: Bleistiftskizzen von Mänteln heften an einem Notizbuch, auf Kleiderstangen hängen Blazer aus der vergangenen Kollektion und Schnittentwürfe für die kommende. Stoffmuster aus Wolle und Kaschmir liegen auf dem Tisch verteilt, dazwischen Fotomodelkarten von einzelnen Kleidungsstücken. „Ich bin nun da angekommen, wo ich immer sein wollte“, sagt Seier, der Gründer des Labels „Seier & Rosé“ ist.
Das heißt: In der Modewelt als Designer, in der Selbstständigkeit mit eigener Kollektion, und: in Wattenscheid. Denn hier kommt der gelernte Schneider und studierte Bekleidungsingenieur gebürtig her, besuchte das Märkische Gymnasium und machte seine Ausbildung. „Ich habe dann zunächst hier bei Klaus Steilmann gearbeitet“, sagt der Mitte 50-Jährige.
Von Wattenscheid bis Paris
Abwechslungsreiche berufliche Stationen folgten: Als Auslandstechniker für Steilmann, Modellmacher bei Kemper/ Cerruti 1881, Teamleiter bei Hugo Boss und Abteilungsleiter bei Rena Lange arbeitete Seier in China, Düsseldorf, Metzingen, München und Zürich. Nun ist Wattenscheid seit zwei Jahren wieder seine Basis, von der aus er Damenmode in die Schweiz, nach Österreich und Deutschland verkauft. Der Name des einst großen Textilunternehmens von Klaus Steilmann aus Wattenscheid hat in der Modebranche immer noch Klang.
Auch sonst ist er international aufgestellt: „Ich produziere neben Detmold auch in Italien und arbeite mit einem Stricker an der holländischen Grenze zusammen“, sagt der Modeexperte. Auch Seier selbst zieht es ab und zu noch in die Ferne: „Meine Inspiration finde ich auf Stoffmessen in Paris und Mailand“, sagt er. Als „hochwertig“, „anspruchsvoll“ und „einzigartig“ beschreibt Seier seine 18-teiligen Kollektionen selbst. Besonderes Markenzeichen: Viele seiner Kleidungsstücke sind zweifarbig und von beiden Seiten tragbar. „Der Stil ist sehr clean, die Teile sprechen für sich“, erklärt der Modeschöpfer.
Der Luxus kostet
Einen bestimmen Typ Frau hat der Wattenscheider dabei als Käuferin nicht im Kopf. Ob Tochter oder Mutter, Karrierefrau, 27- oder 80-Jährige – Seier will sie alle ausstatten. Sein eigenes Lieblingsstück ist eine pastellfarbene Wendejacke mit Kragen, die es von Größe 34 bis 48 und auf Anfrage auch in Sondergrößen gibt. „Meine Kollektionen sind generationsübergreifend. Besonders wichtig ist mir ein Wohlfühlcharakter. Ich würde nie einen steifen Stoff verwenden, sondern kombiniere zum Beispiel Wolle und Kaschmir mit Strick“, erklärt Seier.
„Lässiger Luxus“ für „autarke, starke“ Frauen nennt er das auch. Doch der Luxus kostet: Die Preise bewegen sich im oberen dreistelligen Bereich. Dafür dürfte man auf Events, in der Innenstadt oder im Beruf wohl die Einzige sein, die ein Kleidungsstück von Seier und Rosé trägt.
„Das Label ist gewachsen, und ich möchte testen, ob es auch Kundschaft in Wattenscheid gibt“, sagt der Gründer. Er könne sich auch vorstellen, eine Art Season Sale in Wattenscheid durchzuführen. „Ich bin meiner Heimat verbunden“, sagt Seier.
Wattenscheid auch interessant
Trotz Coronakrise ist das vergangene Halbjahr Seiers umsatzstärkstes gewesen. „Mir kommt zugute, dass ich viel mit Freiberuflern zusammenarbeite – von meiner Modellmacherin bis zu meinem Stricker“, erklärt er. Für den Mode-Fachmann beginnt nun wieder die stressige Zeit im Jahr – denn Anfang des kommenden Jahres muss die neue Kollektion für die Modemesse in Düsseldorf fertig sein. Gut, dass Seier mit zwei Agenten zusammenarbeitet, die ihm einen Teil der Arbeit abnehmen: „Ich bin kein Verkäufer, sondern ein kreativer Tüftler“, sagt er. Mehrere Wochen dauert es, bis ein neues Kleidungsstück skizziert, entworfen, angepasst und schließlich produziert ist. „Ich orientiere mich dabei auch daran, welche Modelle in der vergangenen Saison gut gelaufen sind“, sagt Seier.
Ob er verraten könne, was in der kommenden Saison modern sein werde? „So etwas gibt es gar nicht mehr“, meint der Modeexperte. Jedoch: Im Mund-Nase-Schutz sieht Seier Potenzial: „Der ist doch ein richtiges Accessoire geworden“, sagt er und lacht. In seiner Kollektion wird er aber wohl nicht aufgenommen.