Wattenscheid. In der Traditionsgaststätte entwickelt die Initiative WAT-Werk Ideen. Das Brauseminar mit Gerd Ruhmann zeigt einen Weg der lokalen Produktion.
Zum Bier gehören Wasser, Malz und Hopfen, und mit denen ist der „Treibstoff“ für Ideen da. In der Traditionsgaststätte Haus Wiesmann an der Hochstraße kommt all das zusammen. Schräg gegenüber liegt das Ladenlokal, in dem die Urbanisten ihr Domizil „WAT Craft“ eingerichtet hatten. Brauer Gerd Ruhmann zog dort mit eigenem Gerstensaft die Aufmerksamkeit einiger kreativer Köpfe auf sich und es entstand die Initiative „Mittendrin“. Die steckt auch hinter WAT Werk, dem Trägerverein, der in der Eckkneipe ein soziokulturelles Programm auflegt, darunter das jüngste Brauseminar mit Biermacher Ruhmann.
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72 Grad, die ganze Zeit über, und die Mixtur, die ein Gebräu werden soll, muss ebenso lang gerührt werden. Es ist die Maische, und der Begriff ist bekannt, der Geruch vielen sicher auch noch in der Nase aus Zeiten, als in der Stadt noch an vielen Stellen gebraut wurde. Fünf bis sechs Hausbrauereien im engeren Sinne, so hat Gerd Ruhmann inzwischen erforscht, hat es allein im näheren Umkreis gegeben.
Kein Pardon mit Kölsch
Der Mann hat nicht nur die Rezepte parat und ein Auge auf den richtigen Ablauf des Gärvorgangs, er hat jede Menge Geschichte(n) und Histörchen, vor allem aber Sprüche parat. 65 verschiedene Bier-Arten, so präsentiert er auf einer Tabelle, nicht umsonst das Periodensystem des Brauers, weiß man zu unterscheiden. Aber alles ist pure Geschmackssache, weshalb Ruhmann auch begeisterte Zustimmung bei den Seminar-Teilnehmern erntet, als er schonungslos Kölsch charakterisiert: „Im Grunde ein helles Alt, jedenfalls das einzige, das beim Durchlaufen des Körpers weder Farbe noch Geruch ändert.“
Die warme Gärform als die wohl älteste, obergärig, wird heute auch bei dem 20-Liter-Gebinde in der Wattenscheider Eckkneipe entstehen. Denn die andere Form, untergärig bei 5 bis 6 Grad, konnte erst entstehen, als Carl von Linde die Grundlagen zur maschinellen Kühlung schuf. 1876 patentiert, beim Bierbrauen lernt man für jede Quizrunde. Kommentar von Gerd Ruhmann: „Aber wem was schmeckt, der macht sich keine Sorge um die Haltbarkeit.“
Reinheitsgebot hatte 1516 seine Gründe
Was die gut aufgelegte Runde im Haus Wiesmann für einen Moment über die „charmante Form der Gastlichkeit“ in kleinen Brauhäusern eben ohne großartige Kühlanlagen sinnieren lässt. Die „Brauhauskultur“ mag keiner unterschätzen, bei der das jeweilige Bier zur jeweiligen Gaststätte passt. https://www.waz.de/staedte/wattenscheid/
Gerd Ruhmann scheut auch in der weiteren Analyse keine drastischen Beschreibungen. „Die Hefe richtet sich selbst mit Kohlendioxid und dem Nervengift Alkohol zugrunde.“ Ihre Rolle ist ihm um so wichtiger: „Der Brauer macht die Würze, die Hefe das Bier.“
Info und Termine
Die Termine von WAT-Werk im Haus Wiesmann, Hochstraße 65, sind schon kurz nach dem Start der Initiative sehr gut gefragt. Das nächste Bier-Tasting ist für Freitag, 11. September, von 19 bis 21 Uhr vorgesehen. Die Urbanisten steigen in das Programm ein am 23. September von 18 bis 21 Uhr mit Naturkosmetik zum Selbermachen, die Ausstellung zur Urbanen Produktion ist für den 24. September, 17 bis 21 Uhr vorgesehen.
Nähere Informationen auf https://haus-wiesmann.de/#programm und Anmeldung zu Bierseminaren unter biermacherbo@gmail.com.
Mit einem Denkmal der deutschen Biertradition geht er dagegen ins Gericht, das Reinheitsgebot von 1516 („am 23. April von Herzog Wilhelm IV. erlassen“) erscheint ihm nicht mehr zeitgemäß. „Kreativbiere? Warum nicht?“, und erzählt, dass ein Schokoladen-Stout gerade in Planung sei, und ein Bier mit Kirschen: „Wer’s mag.“
Lokal umgesetzt, regional produziert, global gedacht
WAT Werk, der Verein, hat sich vorgenommen, das Lokal zu einem Raum für Produktivität zu machen, an dem Wattenscheider in Kontakt mit interessanten Menschen kommen und neue Ideen entwickeln können. Außerdem soll es gutes Bier und leckeres Essen geben. Alte Tradition, die Gaststätte stammt von 1902, soll auf neue Anstöße treffen, die im Wortsinne „lokale Produktion“ auf globales Denken treffen. Die Biere sollen einen möglichst kurzen Weg zum Tresen haben, aus der Region stammen. Und das in einem alten Raum, der neu und anders genutzt wird, auch wenn er seine Geschichte nicht ablegt
„Prosit“ steht im Lateinischen für „es möge nützen“.
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