Wattenscheid. Seit Corona ist nichts mehr wie vorher. Auch die lokale Geschäftswelt leidet. Wie sehr, macht das Reisebüro in Wattenscheid-Günnigfeld deutlich.
Stillstand auf dem gesamten Globus. Die Corona-Pandemie hat die Welt fest im Griff. Prekär stellt sich die Lage auch für die Reisebranche dar. Oft finden wir in diesem Bereich Kleinstunternehmen oder Solo-Selbstständige vor. Besonders von der Krise betroffen sind die im lokalen Gemeinwesen fest verankerten, inhabergeführten Reisebüros. Der Gründer und Inhaber des Günnigfelder Reisebüros, Andreas Müller (49), beschreibt seine augenblickliche, persönliche Situation.
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Herr Müller, wurde auch eine Ihrer eigenen geplanten Reisen storniert?
Müller: Ja, leider. Eigentlich wären meine Frau und ich zurzeit auf einer Kreuzfahrt. Das Mittelmeer und die kanarischen Inseln wollten wir besuchen. Weitere Reisen hatten wir für dieses Jahr bisher noch nicht geplant. Es war schon alles bezahlt, jetzt kann ich bis Ende April umbuchen, ansonsten wird die Reise storniert und ich erhalte einen Gutschein. Vor der Krise hätte ich innerhalb von zwei Wochen mein Geld zurückbekommen. Das ist jetzt anders.
Was genau ist jetzt anders?
Die praktizierte neue Regelung sieht die Möglichkeit der Reiseveranstaltenden vor, den Buchenden bei pandemiebedingten Absagen von vor dem 8. März gebuchten Reisen anstelle der binnen 14 Tagen fälligen Erstattung einen Gutschein zu geben.
Was halten Sie von der Gutscheinlösung?
Nicht nur ich, viele Menschen wissen gerade nicht, wie es weitergehen soll. Eine Rückzahlung der bereits bezahlten Gelder für die jetzt stornierte Reise würde da mehr helfen.
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Wie sieht Ihr Arbeitsalltag gerade aus?
Das Günnigfelder Reisebüro ist ja eine inhabergeführte Einzelfirma. Ich führe das Reisebüro zusammen mit meiner geringfügig beschäftigten Mitarbeiterin. Die Reiseveranstalter sind aktuell kaum erreichbar. Wir sind aber trotz Corona nach wie vor an sechs Tagen in der Woche für unsere Kunden da.
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Obwohl Ihr Reisebüro geschlossen ist.
Ja. Und wir arbeiten aktuell, ohne dafür auch nur einen Cent zu erhalten. Die Gutscheinlösung ist für uns mit viel Arbeit verbunden. Es gibt so viele Fragen, die beantwortet werden müssen. Die Reaktion der Kunden ist sehr unterschiedlich. Für manche ist die Lösung hinnehmbar, andere wiederum brauchen das Geld dringend.
Haben Sie die Soforthilfe des Bundes beantragt?
Einen Tag nach Bekanntwerden der Antragsmöglichkeit. Unternehmen mit bis zu fünf Beschäftigten erhalten einen Bundeszuschuss von 9000 Euro. Das Geld wurde innerhalb einer Woche an mich ausgezahlt. So konnte ich meine Mitarbeiterin halten und meine Nebenkosten bezahlen. Allerdings musste ich die geplante Einstellung eines Auszubildenden streichen.
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Wirkt sich der totale Einnahmeverlust auch auf Ihre familiäre Situation aus?
Wir haben das Glück, dass meine Frau als Lehrerin weiter ihre Bezüge erhält. Die Situation ist dadurch für uns weniger bedrohlich. Aber ich kenne Selbstständige, die als Ehepaar beide den Laden betreiben. Da sieht es schon dramatischer aus.
Wie lange ist für Sie die finanzielle Situation noch zu verkraften?
Ich denke, noch gut einen Monat, nicht mehrere Monate. Sollte die Krise über den Sommer hinweg bleiben, so sehe ich dunkle Wolken am Himmel aufziehen. Schauen Sie, in der Zeit von November bis März wurden wie jedes Jahr viele Reisen gebucht. Fast alle wurden storniert. Jetzt wird nicht eine Reise mehr verkauft. Da ist unsere Branche nicht mit anderen zu vergleichen.
Wieso ist die Reisebranche mit anderen nicht zu vergleichen?
Vor 15 Jahren gegründet
Andreas Müller wollte eigentlich Journalist werden und studierte Anglistik und Medienwissenschaften in Marburg. Eine Ausbildung zum Reiseverkehrskaufmann begann er 1994 bei Karstadt in Essen.
Vor 15 Jahren gründete Müller das „Günnigfelder Reisebüro“. Das Reisebüro ist derzeit für Publikumsverkehr geschlossen. Trotzdem sind Müller und seine Mitarbeiterin für die Kunden telefonisch und per E-Mail erreichbar: Tel. 02327/ 20 06 11 und info@guennigfelder-reisebuero.de .
Haben Sie beispielsweise den Kauf eines Fernsehers verschoben, dann holen sie das nach, sobald es möglich ist. Wenn wir wieder aufmachen, ist völlig unklar, wie sich die Situation in der Welt darstellt. Sind Reisen in die USA, die Türkei oder nach Ägypten überhaupt machbar? In meinen Gesprächen spüre ich an dieser Stelle auch eine gewisse Skepsis der Menschen.
Glauben Sie die Reisebranche kommt nicht mehr in Schwung?
Manche glauben, dass die Buchungszahlen zügig wieder Fahrt aufnehmen. Ich nicht, ich stelle mir das nicht so leicht vor. Denken Sie nur an die Kreuzfahrten. Da bleiben die Kunden sicher auf längere Zeit zurückhaltender.
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Werden Sie Ihre ins Wasser gefallene Seereise nachholen?
Ja, aber nicht um jeden Preis. Zudem müssen Reisetermin und Route passen. Wann das sein wird, steht derzeit noch in den Sternen.
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