Wattenscheid-Heide. Der schräge Abend mit viel Musik im leerstehenden Ladenlokal an der Bochumer Straße bringt wieder ein volles Haus. Ein Kulturcafé wäre machbar.

Der zweite Blick, der hinter die Fassade, lohnt sich. In einem unscheinbaren Haus am Anfang der Bochumer Straße ist überraschend deutlich Leben eingezogen. Ein gut 20 Jahre leerstehendes Ladenlokal war für einen, hoffentlich den ersten Abend, hell erleuchtet – und proppenvoll. Einen „James-Bond-Abend“ hatte die Initiative „Mittendrin“ für ihr inzwischen drittes Event ausgerufen, und damit das Versprechen gehalten, in Wattenscheid etwas auf die Beine zu stellen.

Nach dem schlechten Abschneiden des Wattenscheider Kernbereichs im WAZ-Stadtteil-Check hatte sich eine kleine Gruppe zusammengesetzt, die sich damit nicht abfinden wollte. Und im WAT-Craft-Laden an der Hochstraße mit einer amüsanten Lesung startete, mit „Kunst und Kultur in der Einfahrt“ an der Graf-Adolf-Straße wiederum erfolgreich nachlegte und mit dem Doppel-Null-Abend den nächsten Trumpf ausspielte: Stich.

Hochbetrieb herrschte nach gut 20 Jahren Leerstand in dem Ladenlokal beim „James-Bond-Abend“ mit kuriosen Exponaten aus den 20er Jahren.
Hochbetrieb herrschte nach gut 20 Jahren Leerstand in dem Ladenlokal beim „James-Bond-Abend“ mit kuriosen Exponaten aus den 20er Jahren. © FFS | Vladimir Wegener


Martin Lenz als Sprecher der Gruppe blickte kurz zurück auf die Motivation: „Wir waren uns einig, dass es in Wattenscheid eigentlich ganz nett ist, die Stadt hat einen herben, einen etwas anderen Charme, und wir wollten hier was auf die Beine stellen.“ Weshalb das Stadtteilbüro des Projekts „WAT bewegen“ eingeschaltet wurde und über den Verfügungsfonds bei der Finanzierung des Programms einsprang.

Herber Charme des Doppel-Null-Hauses

Mit dem Doppelhaus für den Doppel-Null-Abend griff „Mittendrin“ auch wieder auf eine probate Voraussetzung zurück: Es ist in Privateigentum, damit eine Veranstaltung einfacher zu bewerkstelligen. Der „herbe Charme“ schimmerte hier mit dem allgegenwärtigen Leerstand vieler Jahre, unverputzten Wänden und Holzfenstern und Treppenstufen im mehr als ehrlichen Vintage- oder Retro-Look durch.

Einsatz in der Freizeit


„Es muss nicht alles perfekt sein“, hatte Lenz denn auch vorweg geschickt, „immerhin machen wir das alles in der Freizeit, nebenher.“ Auch die Renovierung des Ladenlokals, wohl früher eine Heißmangel und ein Feinkost-Geschäft, was die Initiative hoffen lässt, hier ein Kulturcafé zu etablieren, „da, wo sonst nix in der Richtung ist.“

Frei nach der 007-Biografie

Die Skier der Mutter Monique, der Hochzeitszylinder, Exponate, die sonst in keiner Bond-Ausstellung zu sehen wären.
Die Skier der Mutter Monique, der Hochzeitszylinder, Exponate, die sonst in keiner Bond-Ausstellung zu sehen wären. © FFS | Vladimir Wegener

Den Steilpass für den Bond-Abend lieferte die Kulisse gleich mit, denn die zahlreichen Exponate, die belegen, dass James Bond seine ersten fünf Jahre in der Alten Freiheit verlebte, fanden sich überwiegend bei der Renovierung: die Skiausrüstung seiner Mutter Monique, Grammophon, Hochzeits-Zylinder, James’ Babyschuhe. Damit setzte „Mittendrin“ einen Gegenpol zur Bond-Ausstellung in der Bochumer City und interpretierte die Abstammung des Agenten frei nach der 1973 erschienenen „James Bond – the Authorized Biography of 007“. Deren Autor John Pearson, Journalist und Schriftsteller, war Mitarbeiter und Freund des 1964 gestorbenen Bond-Erfinders Ian Fleming.

Geburtsdatum 11. November

Immerhin erschien glaubwürdig, dass Monique Bond ihren Filius in London zur Welt bringen wollte, allerdings am Wattenscheider Bahnhof vergeblich auf den Zug wartete: „Wie heute“, kommentierten die Gäste. So soll der spätere 007 denn am 11. November 1920 eben doch in Wattenscheid das Licht der Welt erblickt haben. Und neben der darin enthaltenen Karnevals-Perspektive unterstrichen die „Mittendrin“-Aktiven, der Mörtel für das Haus sei nachweislich geschüttelt, nicht gerührt worden.

Mit „Hausband“ und „Tuba Libre“

In für Bond-Melodien ungewöhnlicher Besetzung hatte die „Hausband“ bei ihrer Premiere mit Keyboard, Querflöte, Saxophon, Gitarre und Gesang den Abend eröffnet und mit „Skyfall“ und „Writings on the wall“ aus „Spectre" bemerkenswerte Akzente gesetzt.

Diesen eher zurückhaltenden Klängen schmetterte „Tuba Libre“ mit 20 Instrumentalisten eine bunte Mixtur aus Charleston, Swing bis hin zu Marianne Rosenbergs „Er gehört zu mir“ zum Mitsingen entgegen.

Geradezu poetisch dankte „Mittendrin“-Sprecher Lenz, dass sich so viele Gäste darauf eingelassen hatten, einen Abend voller Magie zu erleben, an dem man sich einfach begegnen konnte, um sich gemeinsam unterhalten und überraschen zu lassen, Neues zu erfahren und andere Sichtweisen zu probieren.