Wattenscheid-Mitte. . Bei der Plattenbörse in der Stadthalle in Wattenscheid herrscht ein Riesenandrang. Nur Klassik und Volksmusik finden sich eher nicht im Angebot.

„Tonträger aller Musikrichtungen seit den 50er Jahren bis heute“ verheißt das Plakat zur „Schallplattenbörse“ ziemlich trocken und unspektakulär.

Aber schon der immense Parkplatz-Such-Verkehr auf den Straßen rund um die Stadthalle an diesem nieselig-ungemütlichen ersten Adventssonntag zeigt dem Unbedarften: Da muss mehr dran sein. So einen Betrieb kennt das ehrwürdige Gebäude ja nicht einmal von der großen Karnevals-Gala.

Schnäppchenjäger sind früh am Start

Start ist um 11.30 Uhr, Einlass schon einen halbe Stunde vorher. Tatsächlich verlassen schon die ersten Schnäppchenjäger mit vollen Taschen die Halle wieder. 65 Aussteller sind dabei, meint Alexander Lauber von der ausrichtenden Agentur in Düsseldorf, der am Eingang auch Fan-Artikel anbietet.

Das „Handfeste“ am Vinyl schätzen die Besucher der Börse.
Das „Handfeste“ am Vinyl schätzen die Besucher der Börse. © Socrates Tassos

Die kommen gut an und gehen gut weg, Sprüche wie „Rettet das Vinyl“ oder „Vinyl never dies“, „Vinyl stirbt nie“, scheinen Programm zu sein. Die Fans und Freaks sind dabei aber offenbar keine Puristen und nur auf die „reine Lehre“ fixiert. Es gibt auch CDs oder DVDs.

Fast Kult-Status wie Polaroid-Fotos

Doch diese „Silberlinge“ gehen eher in die zweite Reihe, die vorherrschende Farbe ist Schwarz, als LP, 45er Single oder sogar Maxi. Vertreten sind tatsächlich wohl alle Richtungen, und die Fans stöbern auch überall. Wohl an die 700 können es über den Tag werden, schätzt Lauber.

Plattenbörsen von Woche zu Woche

Die Agentur Lauber empfiehlt, auf Börsen besonders beim Kauf von CDs nachzusehen, ob die richtige CD in der Hülle ist, denn viele Händler zeigen nur die Leercover und geben die eigentliche CD erst beim Kauf heraus.

Termine und Besonderheiten zum Nachlesen auch auf www.schallplatten-boersen.de.

Und weiter: „Die Klassik rutscht schon ‘mal eher in eine Nische, und Volksmusik habe ich heute gar nicht gesehen“, weiß er. „Das Schöne ist, der Hang zur Schallplatte ist überhaupt nicht auf Ältere begrenzt“, erklärt er, „wie man vielleicht meinen sollte. Die Börsen waren vielleicht ab den 80er Jahren noch die letzte Rettung für Schallplattenfans. Da war die CD allerdings ja noch ein neues Medium.“

Presswerke überlastet

Dafür seien dann heute schon einmal die Presswerke überlastet, so groß sei teilweise die Nachfrage. Die ganz eingefleischten Kenner wissen dann auch schon einmal, welche Pressung von welchem Album die beste ist.

Dabei ist hier und heute gerade einmal ein Plattenspieler in Betrieb, an der Seite in der Pausenhalle, die genau wie das Foyer picke-packe voll ist mit Kisten und Boxen voller Platten. Von der Streitfrage alter Zeiten, ob ein Plattenspieler direkt oder per Riemen angetrieben sein muss, hält Lauber gar nichts. „Eine vernünftige Anlage, das reicht völlig aus. Aber, wer wirklich Musik hören will, der greift eben zur Schallplatte.“

Wie bei der Polaroid-Kamera

Denn nicht nur für die Nostalgiker „ist eine CD digital, wenn ich schnell einen Titel, eine Aufnahme hören will. Dafür gibt’s Downloads oder Streaming-Dienste.“ Vinyl ist schon retro, hat schon fast Kultstatus. „Was Handfestes“, beschreiben Alexander Lauber und Freundin Leah Grütjen, „ungefähr wie bei einer Polaroid-Kamera, die ja auch wieder richtig gefragt ist. Da kostet jedes Foto Geld, Das ist einfach wertiger im Umgang mit dem Material“.