Wattenscheid. . Wattenscheider gedenken der Opfer der NS-Zeit am 80. Jahrestag der Pogromnacht. Holocaust-Überlebender richtet mahnende Worte an die Besucher.
„Wenn man vergisst, kann sich alles wiederholen.“ Felix Lipski richtet seine Worte an die Menschen, die auf dem Nivelles-Platz zusammengekommen sind. 80 Jahre sind seit den Verbrechen der Pogromnacht vergangenen – und seit Lipskis Geburt. Der 80-Jährige ist Holocaust-Überlebender, war als Kind im Ghetto in Minsk (heutiges Weißrussland), setzt sich seit Jahren für die Belange der Überlebenden ein und blickt einem anderen, einem positiven Jubiläum entgegen: „Am 12. November wohne ich seit 20 Jahren in Deutschland, in Bochum.“
Schwermütiger Klang der „Moorsoldaten“
Den traurigen Jahrestag, der an die Verbrechen der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 und an die Opfer der NS-Zeit erinnert, beging das „Kuratorium Stelen der Erinnerung“ mit einer Veranstaltung für alle Bürger. Auf dem Nivelles-Platz, dem einstigen Standort der Synagoge, eröffnete der schwermütige Klang der „Moorsoldaten“ die Gedenkfeier. Ein Lied, das „als Zeichen gegen den Nationalsozialmus gilt“, wie Bernd Albers es formulierte, bevor er es gemeinsam mit Christel Sehrig und den Gästen anstimmte. Häftlinge des Konzentrationslagers Börgermoor erschufen den musikalischen Protest 1933. Ilja Berin intonierte stimmgewaltig das Volks- und Friedenslied „Hevenu Shalom Alechem“.
Gebet wird gemeinsam gesprochen
Felix Lipski gehört dem
„Club Stern“ der jüdischen Gemeinde Bochum-Herne-Hattingen an. Die Club-Mitglieder sind Holocaust-Überlebende und Kriegsveteranen.
Die Mitglieder der jüdischen Gemeinde sprachen bei der Gedenkveranstaltung auf dem Nivelles-Platz gemeinsam das Heiligengebet „Kaddisch“. Alina Röllke trug ein Gedicht von Theodor Kramer vor.
Stadtarchivar Andreas Halwer konnte krankheitsbedingt seine geplante Rede bei der Gedenkveranstaltung des Kuratoriums nicht halten. Stellvertretend verlas Felix Oekentorp Halwers Worte auf dem Nivelles-Platz.
Fürs Denkmal eingesetzt
Felix Oekentorp, Vorsitzender des Kuratoriums, rief in Erinnerung: „Wir und diese Veranstaltung stehen auch in der Tradition von Hannes Bienert, der sich für das Denkmal hartnäckig eingesetzt hat.“ Die drei gläsernen Stelen tragen eine historische Ansicht der am Morgen des 10. November 1938 niedergebrannten Synagoge und die 87 Namen der ermordeten Wattenscheider jüdischen Glaubens. Betti Hartmann fiel der Shoa als 15-Jährige zum Opfer, wurde 1942 im KZ Auschwitz ermordet. Das Bild der Wattenscheider Schülerin stand während der Gedenkveranstaltung vor den Stelen.
Nie wieder Fremdenhass
Schüler sind es auch, die Felix Lipski erreichen möchte: „Mit meinem gebrochenen Deutsch gehe ich in die Schulen. Dort merke ich, dass viele junge Leute keine Kenntnis mehr von den Verbrechen haben. Das müssen wir ändern.“ Besorgt spricht er von „neuen Bewegungen“ und fügt sogleich an: „Nie wieder darf es Nationalsozialismus, Antisemitismus und Fremdenhass geben.“
Dafür wurden in Wattenscheid Zeichen gesetzt: Die Jusos zogen mit Schwämmen und Putzmittel los, um die 49 Stolpersteine der Alten Freiheit wieder zum Glänzen zu bringen. Jan Bühlbecker: „Es ist eine der ersten Veranstaltungen, weitere sollen folgen. Es ist nicht nur wichtig, heute ein Zeichen zu setzen, sondern dass wir Bürger uns beständig engagieren.“
Mit geladenen Gästen gedachte die Bezirksvertretung Wattenscheid im Rathaus der Opfer. Dort wurde das Rahmenprogramm von Schülern der Maria Sibylla Merian-Gesamtschule gestaltet. Zum Abschluss gab es einen Schweigemarsch zum Nivelles-Platz.